003 - Der Puppenmacher
und nichts gegessen.
Er sah aus wie … wie ein Gespenst.«
Dorian starrte auf das Foto. Es zeigte ein hübsches blondhaariges Mädchen mit einem Burschen in Hemd und Jeans. Er kannte den jungen Mann. Es war derselbe, der ihm letzte Nacht das Päckchen mit der Puppe überbracht hatte.
»Ich glaube, Sie sind keiner Täuschung zum Opfer gefallen«, sagte er bedächtig. »Edgar Palmer dürfte noch am Leben sein. Ich habe ihn vor wenigen Stunden selbst gesehen.«
Mrs. Burdon schrie auf. Ihr Mann beugte sich vor und hielt Dorian seine große Faust drohend entgegen. »Wenn Sie sich über uns lustig machen wollen, dann schlage ich Ihnen die Zähne ein.«
Dorian blickte ihm ruhig in die Augen. »Ich meine es ernst. Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Edgar Palmer hat mir vor wenigen Stunden einen Besuch abgestattet.«
»Wissen Sie, was Sie da sagen, Dorian?« rief Chapman.
Der Dämonenkiller gab keine Antwort. Er nahm Mrs. Burdon das andere Foto aus den kraftlosen Fingern und betrachtete es. Es war quadratisch und offensichtlich mit einer Sofortbildkamera geschossen worden. Es zeigte das gleiche Mädchen wie auf dem anderen Foto, nur stand es auf der Handfläche eines Mannes, von dem sonst nichts zu sehen war. Wenn man die Männerhand als Maßstab nahm, so war Alina nicht größer als dreißig Zentimeter. Dorian begann vor unterdrückter Wut zu zittern. Es war nicht so sehr der Anblick des Puppenmädchens, der ihn erregte, sondern die Hand; besser gesagt, die Narbe, die sich von der Daumenwurzel an strahlenförmig über den Handrücken verbreitete. Er hatte diese Narbe vor zwei Monaten schon einmal gesehen. Er hatte sie nur flüchtig wahrgenommen, aber jetzt erinnerte er sich wieder genau. Roberto Copello, einer seiner Brüder, hatte die gleiche Narbe besessen. Also hatte nicht nur Bruno Guozzi das flammende Inferno auf Schloß Lethian überlebt, sondern auch der Argentinier. Möglicherweise sogar noch andere.
Roberto Copello jedenfalls hielt sich hier in London auf. Der Argentinier, der sich in Asmoda als Kriminologe ausgegeben hatte und nach eigener Aussage von seinen Gegnern Schrumpfköpfe anfertigte, war der Puppenmacher. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
Ein paar Sekunden herrschte Schweigen, dann räusperte Chapman sich. »Wenn Sie keine weiteren Fragen mehr haben, Dorian, dann können wir wohl gehen.«
Hunter nickte, und sie verabschiedeten sich von den Burdons. Als sie schon auf der Straße waren, rief Mrs. Burdon ihnen nach: »Bitte, bringen Sie mir Alina zurück!«
»Wir werden unser Bestes geben«, versprach Dorian mit rauher Stimme. Dabei wußte er, daß keine Macht der Welt Alina helfen konnte. Als sie den Wagen erreichten, hielt Chapman Dorian am Arm zurück.
»Warum haben Sie diese Leute in dem Glauben bekräftigt, daß Edgar Palmer noch lebt?« fragte er verärgert.
»Weil ich ihn mit eigenen Augen gesehen habe.«
»Das ist vollkommener Unsinn!«
»Meinen Sie?« Dorian starrte Chapman mit verkniffenem Gesicht an. »Ihre Ignoranz wird langsam nervig, Don. Edgar Palmer lebt!
Genauer gesagt, er ist ein lebender Leichnam, denn er starb durch den Biß eines Vampirs. Die Einstiche an seinem Hals, für die niemand eine Erklärung fand, stammen von Vampirzähnen. Dessen bin ich mir sicher. Wer das Opfer eines Vampirs wird, stirbt nicht wirklich, sondern erlebt eine Wiedergeburt und wird selbst zum Blutsauger. Genau das ist mit Edgar Palmer geschehen.«
Chapman schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ich muß zugeben, Ihre Art, Gruselgeschichten vorzutragen, geht einem unter die Haut.
Ich weigere mich auch weiterhin, sie für bare Münze zu nehmen, aber eine Chance will ich Ihnen noch geben. Ich werde zu Palmers Grab fahren und, falls nötig, die Exhumierung seiner Leiche erwirken. Sollte sich dabei nichts ergeben, dann rühre ich jedoch keinen Finger mehr für Sie.«
Dorian lächelte dankbar. »Sie geben sich wirklich alle Mühe, Don.
Ich bin sicher, daß es diesmal gelingt. Während Sie sich Palmers Grab ansehen, werde ich den Haywards einen Besuch abstatten.
Vielleicht hat Coco Neuigkeiten für mich. Sie brauchen mich nicht hinzufahren. Die paar hundert Meter bis zu Haywards Villa schaffe ich zu Fuß. Ein Morgenspaziergang schadet mir bestimmt nicht.«
Sie trennten sich, ohne sich für einen bestimmten Zeitpunkt zu verabreden. Dorian versicherte, daß er entweder in seinem Haus oder bei Lord Hayward zu erreichen sein würde.
Chapman fuhr zum nächsten Polizeirevier. Von dort aus setzte er sich
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