003 - Die schwarze Rose
den Henkel des Krugs.
Und dann drang er kraftvoll in sie ein. Im selben Moment ereigneten sich drei Dinge
- Chloe kreischte, John erstarrte, und das Porzellangefäß landete auf seinem Kopf.
Erwartungsvoll beobachtete sie ihn. Die schönen grünen Augen erwiderten ihren Blick in ungläubigem Entsetzen, ehe sie sich langsam verdrehten. „Du . . ." war alles, was er hervorwürgte. Bewusstlos sank er auf sie hinab.
O Gott, wie schwer er ist!
Mit aller Kraft schob sie ihn zur Seite und kroch unter ihm hervor. An den Bettpfosten geklammert, holte sie ein paar Mal tief Luft, um ihre flatternden Nerven zu besänftigen. Viel Zeit blieb ihr nicht. Zunächst musste sie sich säubern und dann die Scherben entfernen. Beim Anblick des Blutes zwischen ihren Schenkeln wurde ihr fast übel. Nachdem sie sich hastig gewaschen hatte, sammelte sie die Fragmente des Krugs ein, ließ sie verschwinden und bauschte Johns Haar auf. Hoffentlich würde er die Beule an seinem Hinterkopf nicht bemerken.
Wenn er zu sich kam, würde sie an seiner Seite schlum-mern, als wäre alles in bester Ordnung. Er würde glauben, nach dem Liebesakt wäre er eingeschlafen, und sich nicht entsinnen, was vor seiner Ohnmacht geschehen war. Alles würde planmäßig verlaufen . . .
Chloe setzte sich auf die Bettkante und berührte ihre Stirn. Vielleicht hätte sie etwas gründlicher nachdenken sollen. Wenn er sich erinnerte . . . Unsinn, ein paar Küsse, ein paar Zärtlichkeiten, und er würde . . .
Die Blicke aus glühenden Smaragdaugen drohten sie zu erdolchen, und ihr Atem stockte. Wieso war er schon wieder bei Sinnen? Nach so kurzer Zeit?
Diesen Blick hatte sie bisher nur ein einziges Mal gesehen. Als sie zehn Jahre alt gewesen war und Juckpulver in alle seine Hosen gestreut hatte. In heller Wut war er hinter ihr auf einen Baum geklettert und hatte sie versohlt. Danach hatte sie drei Tage lang nicht sitzen können.
Jetzt starrte er sie sogar noch zorniger an. Starke Finger griffen nach ihrem Handgelenk. Schreiend sprang sie auf, rannte splitternackt, mit wehendem Haar durch das Schlafgemach in den Salon der Suite, riss die schwere Eichentür auf und floh in den Ostflügel, so schnell ihre Beine sie trugen.
„Chloeee/" hallte Johns ohrenbetäubende Stimme durch den Flur.
In solchen Momenten hielt man nicht inne, um die Situation zu überdenken. Mon Dieu, der Mann brüllte wie ein wilder Stier! Wenn er sich beruhigt hatte, musste sie ein ernstes Wort mit ihm reden. Was, nach der Lautstärke seines Geschreis zu urteilen, zwei bis drei Monate dauern würde.
Eigentlich hatte sie nicht erwartet, er würde ihr nachlaufen. Das erste Anzeichen der Verfolgung war das klatschende Geräusch seiner nackten Füße auf dem Parkett, das zweite das Gekreische eines Stubenmädchens, das zufällig um eine Ecke des Korridors bog, einen Stapel Wäsche in den Armen.
Entsetzt beobachtete die junge Frau den neuen Hausherrn, der völlig unbekleidet an ihr vorbeistürmte und den
Namen seiner Frau rief. Die arme Dienerin ließ die Wäsche fallen, schlug die Hände vors Gesicht und zeterte lauthals über die heidnischen Sitten berüchtigter Lebemänner. Aber trotz ihrer moralischen Grundsätze spähte sie, sobald Seine Lordschaft an ihr vorbeigerannt war, zwischen den Fingern hindurch und begutachtete seufzend sein muskulöses Hinterteil. Da niemand ihre Entrüstung zur Kenntnis nahm, zuckte sie die Achseln, hob die Wäsche auf und setzte ihren Weg fort.
Als Chloe das Mädchen schreien hörte, zuckte sie zusammen. Zum Glück hatte Grandmere in diesem Flügel nur wenige Gäste untergebracht. Sie stolperte um eine Ecke und schaute sich nach einem Versteck um. Hätte sie sich doch bloß an Johns ärgerliche Angewohnheit erinnert, eine Sache stets auf seine Weise zu beenden!
Unwillkürlich berührte sie ihre Kehrseite, die er vor neun Jahren so erbarmungslos traktiert hatte, und schlüpfte hinter den Vorhang eines Alkovens.
Zu erbost, um sich ablenken zu lassen, hatte John das empörte Stubenmädchen ignoriert. Wo mochte dieses kleine Biest stecken? Voller Genugtuung beobachtete er, wie der Vorhang des Alkovens zitterte. Gerade wollte er ihn beiseite zerren, doch da spähten zwei violette Augen hervor, um die Lage zu sondieren. Bei seinem Anblick wurden sie weit aufgerissen.
Im selben Moment erklangen Stimmen im Treppenhaus. Vermutlich kehrten die letzten Hochzeitsgäste in ihre Zimmer zurück. Und der Viscount und seine junge Viscountess standen splitternackt im Flur.
Weitere Kostenlose Bücher