003 - Die schwarze Rose
loderte.
„Ja, ja, ja", stöhnte er, „so ist es gut ..." Zum ersten Mal in seinem Leben vergaß er während eines Liebesakts, wo er sich befand und wer er war. Chloe verwandelte sich in sein ganzes Universum, und er konnte nicht mehr denken, nur noch fühlen. In diesem Augenblick wurde der Verführer endgültig verführt.
Die Macht der Sehnsucht überstieg die bloße Leidenschaft. Solche Emotionen hatten ihn nie zuvor übermannt. Er wusste nichts zu sagen, nichts zu fragen, vollends besiegt von der wilden Hitze, die sie gemeinsam erzeugten.
Hilflos rang er nach Atem. Als er dem Höhepunkt entgegenstrebte, stieß er überwältigt hervor: „Schenk mir ein Kind, Chloe . . ."
Mit diesen Worten zerstörte er den letzten Rest ihrer Barrieren, und alles, was sie ihm jahrelang verschwiegen hatte, brach aus ihr hervor. „Je t'aime! Je t'aime! Ich liebe dich. Immer habe ich dich geliebt, John. Immer ..." Mit beiden Armen umschlang sie seinen Nacken, und ihr hemmungsloses Geständnis begleitete das Glück ihrer Erfüllung.
Das hatte er offenbar nicht erwartet. Sekundenlang versteifte er sich, bis ihn die körperlichen Bedürfnisse zwangen, seine eigene Lust zu stillen.
Das Gesicht an ihrem Hals, blieb er auf ihr liegen und verharrte in beängstigendem Schweigen. Chloe rührte sich nicht, sagte nichts. Normalerweise küsste er sie nach dem Liebesakt, lachte mit ihr und hielt sie zärtlich umfangen. Oder er entfachte wenig später ein neues Verlangen und versicherte ihr, sie besitze das seltene Talent, einen Mann immer wieder zu erregen.
Diesmal tat er nichts dergleichen.
Mühsam bekämpfte sie die Angst, die in ihr aufstieg. Nachdem die Glut erloschen war, erkannte sie, was sie verraten hatte. Es war zu früh gewesen - viel zu früh.
Schließlich stand er wortlos auf, schlüpfte in sein Hemd und seine Hose. Sie schaute ihn flehend an. Aber er wich ihrem Blick aus. Seine Schuhe in der Hand, ging er zur Glastür, die ins Freie führte. Bevor er in die Morgenröte hinaustrat, zögerte er nur ein paar Sekunden lang.
Wie betäubt starrte sie die Tür an, die er hinter sich geschlossen hatte. Es war vorbei
- sie hatte zu viel gewagt und verloren. Aus ihrer Kehle rang sich ein Schluchzen.
Alles vorbei. Verzweifelt vergrub sie das Gesicht in dem Lager aus Kleidungstücken, die sie mit ihrer Leidenschaft erwärmt hatten. Jetzt fühlten sie sich kalt an. Nur ein Hauch des duftenden Öls war zurückgeblieben, eine wehmütige Erinnerung.
Was soeben geschehen war, drohte ihr Herz zu zerreißen. John hatte sie verlassen, das Glück ihrer Liebe würde nie mehr zurückkehren.
Im schwachen Morgenlicht folgte er den verschlungenen Pfaden des Irrgartens bis zum Zentrum, wo er auf eine steinerne Bank sank. An dieser Stelle hatte Chloe ihm ihren Heiratsantrag gemacht. Er lehnte sich an den Baumstamm, suchte die tröstliche Stütze des harten Holzes.
Eine Finte. Niemals hatte sie geplant, in den Armen anderer Männer zu liegen. Und sie war nie mit anderen zusammen gewesen. Er schloss die Augen. Was hatte er getan, um das zu verdienen? Denn die Wahrheit ließ sich nicht länger bestreiten. Er liebte Chloe über alles, hatte sie immer geliebt und würde sie immer lieben.
Seufzend öffnete er das Tor der Erinnerungen, die er stets verdrängt hatte. Sein Vater. Der Abscheu, den er empfand, wann immer er an ihn dachte. Das Leid seiner Mutter. Seine eigenen Qualen.
Mit seinem schrecklichen Laster, der unüberwindlichen Spielsucht, hatte der Viscount die Familie vernichtet. Nach Johns Meinung war nicht der Verlust des Vermögens am schlimmsten gewesen, sondern die Art und Weise, wie sich der Vater aus dem Leben gestohlen, wie er seine Frau und seinen Sohn im Stich gelassen hatte. Diesen feigen Selbstmord würde er niemals begreifen, und er konnte ihn ebenso wenig verzeihen.
Meine arme Mutter. . . Die gleiche tiefe Liebe, die sie ihrem Mann schenkte, gab sie auch mir. Und nach dem Tod des Viscount hatte sie sich so verzweifelt bemüht, für ihr Kind zu sorgen.
In Johns Augen brannten Tränen, während er sich den Erinnerungen stellte, die er so lange in sein Unterbewusstsein verbannt hatte. Die Menschen in seiner Umgebung hatten stets vermutet, er würde seinem Vater gleichen. Statt der Spielsucht zu verfallen wie der verstorbene Viscount, amüsierte er sich eben mit Frauen.
Wie sehr sie sich täuschten ... Er ähnelte nicht dem Vater, sondern der Mutter.
„Zweifellos bist du mein Fleisch und Blut", hatte sie oft versichert.
Weitere Kostenlose Bücher