003 - Die schwarze Rose
Nacht. Während er sie betrachtete, empfand er das gleiche sonderbare Gefühl wie vorhin im Schlafzimmer, bei jenem ersten Kuss.
Ihre Blicke trafen sich, und ringsum schien die Welt zu versinken. „Lass dich kosten, Chloe", flüsterte er. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, und als ihre Lippen sich fanden, stöhnte er vor Entzücken.
Von wachsender Leidenschaft erfasst, küsste er sie, begierig erforschte seine Zunge ihren Mund.
Ja, das ist der Kuss eines Ehemanns, dachte Chloe.
Nach einer Weile hob er den Kopf, und sie las in seinen Augen, was ihr das neue Wissen einer erwachten Frau verriet - dass er sie begehrte, ivirklich begehrte.
Entschlossen trug er sie ins Schlafzimmer, und auf dem ganzen Weg erwiderte er ihren Blick.
Mit einem Fußtritt schloss er die Tür hinter sich. Da Chloe seine Ungeduld spürte, erwartete sie halb und halb, er würde sie an die Wand pressen, um sein Verlangen zu stillen - so wie er es im Alkoven vorgeschlagen hatte.
Diese Möglichkeit erwog er tatsächlich. Aber er verwarf den Gedanken. So wollte er sie nicht lieben. Zumindest nicht in dieser Nacht. Zielstrebig ging er zum Bett. Lord Sexton wusste genau, was er sich wünschte.
Keine ungewöhnlichen Positionen.
Keine exotischen Finessen.
Nur Chloe. In seinen Armen.
Behutsam legte er sie aufs Bett und breitete ihr rotes Haar auf dem Kissen aus.
Genauso war sie ihm in seiner Fantasie erschienen. Sein Herz hämmerte heftig gegen die Rippen. Wie zauberhaft sie war . . .
Das flackernde Licht der Kerzen auf dem Nachttisch beleuchtete den Raum. Endlich betrachtete er seine Frau in ihrer ganzen Schönheit. Dazu hatte er bisher keine Gelegenheit gefunden. Jetzt gönnte er sich diese Freude. Er hatte andere Frauen gesehen, vielleicht mit üppigeren Brüsten und längeren Beinen.
Aber keine ließ sich mit ihr vergleichen. In seinen Augen war Chloe schon immer vollkommen gewesen. Und jetzt erst recht.
Ein Knie auf der Bettkante, beugte er sich hinab und schlang eine rote Haarsträhne um sein Handgelenk. Und so nahm er sie gefangen. Von heißer Sehnsucht getrieben, legte er sich zu ihr.
Aus unerklärlichen Gründen empfand sie eine viel größere Angst als beim ersten Mal. Jetzt würde er sie lieben. Ganz und gar. Das verriet seine entschlossene Miene.
Wenn sie ihn auch begehrte - die Erinnerung an die kurze schmerzhafte Vereinigung erschreckte sie. Und vorhin hatte sie ihn ebenso betrachtet wie er sie. Er war sehr kräftig gebaut. Und er würde ihr neue Schmerzen zufügen.
Würde sie das ertragen, nach allem, was sie in dieser Nacht bereits erlebt hatte?
Offenbar spürte er ihre Angst, denn er strich sanft über ihre Wange und ihre vollen Lippen. Durch gesenkte schwarze Wimpern beobachtete er seine eigenen Zärtlichkeiten, und sie fühlte, wie er zu zittern begann. Dann schaute er in ihre Augen, und sie sah ein smaragdgrünes Feuer.
Seine Stimme klang leise und entschlossen zugleich. „Mein Engel, ich werde dir das höchste Entzücken schenken …"
6. KAPITEL
Zwei Herzen verschmelzen
Von einem sinnlichen Bann verzaubert, neigte er sich zu Chloe hinab. Das Amulett am Goldkettchen baumelte direkt vor ihrem Gesicht. Verwundert hob sie die Brauen. Eine Möhre. Ihre Möhre. „Du ... du hast sie behalten!"
Überraschte ihn ihre Entdeckung? Jedenfalls hielt er inne. Entweder hatte er geglaubt, sie würde sich nicht erinnern. Oder er trug den Talisman schon so lange, dass er gar nicht mehr daran gedacht hatte, ihn zu entfernen.
John antwortete nicht. Als er das Gesicht abwandte, ließ das Kerzenlicht seine bronzebraune Wange schimmern.
War er verlegen? Weil sie etwas herausgefunden hatte, das sie nicht wissen sollte?
Das Amulett! An ihrem dreizehnten Geburtstag hatte er ihr die kleine goldene Möhre geschenkt. Es gab viele Gründe, warum sie jenen Tag niemals vergessen würde.
Seit ihrem sechsten Geburtstag hatte er ihr jedes Jahr einen kleinen goldenen Anhänger für ihr Armband geschenkt. Und jeder hatte eine besondere Bedeutung, die nur sie beide kannten, denn die Amulette stellten Kosenamen dar. Eine winzige Katze für „Chloe-Kätzchen". Ein Bärenjunges für „Chloe-Bärchen". Ein Sittich für
„Chloe-Vögelchen". Ein Affe für „Chloe-Äffchen. Ein Kaninchen für „Chloe-Häschen".
Ein
Elefantenbaby für „Chloefant".
In jenem besonderen Jahr hatte er ihr die Möhre geschenkt, die auf ihre Haarfarbe anspielen sollte. Es machte ihm Spaß, sie damit zu hänseln. „Möhrenkopf" nannte er sie, „Chloe-Möhrchen"
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