003 - Die schwarze Rose
„N'est-ce pas?"
Schweigend starrte er sie an. An seinem Kinn zuckte ein Muskel.
Da spürte Chloe, dass sie etwas entdeckt hatte, das er sorgsam zu verbergen suchte.
Ihre Stimme nahm einen ernsten Klang an. „Warum brauchst du all diese Frauen, John?"
Sobald sie die Frage ausgesprochen hatte, erkannte sie ihren Fehler. Er stieg ein paar Stufen hinab, um sich von ihr zu entfernen - nicht nur körperlich. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er an der Wand. Sein anzügliches, arrogantes Lächeln ärgerte sie maßlos.
„O ja, Chloe, es gefällt mir."
Was sie nicht bezweifelte. Er ist nun mal ein Schürzenjäger, dachte sie. Vielleicht erwartete sie zu viel von einem Mann, dessen sinnliche Gelüste weit und breit berüchtigt waren.
„Warum sollte ich's sonst tun?" fügte er hinzu.
Ja - warum? Diese Frage hatte Chloe jahrelang gequält. Diesmal wurden ihre eigenen Augen feucht. Dass er seinen lasterhaften Lebenswandel für selbstverständlich hielt, verletzte sie zutiefst. Hätte sie ihn nicht so gut gekannt, würde sie glauben, es gäbe keine besonderen Gründe für sein Verhalten.
Aber sie wusste es besser. In einem entschiedenen Ton, den sie sich niemals zugetraut hätte, erklärte sie: „Mir würde es auch gefallen." Ein honigsüßes Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Was sagst du da?" Abrupt richtete er sich auf.
„Mein teurer bonvivant, ich möchte diese Freuden ebenso genießen wie du", erwiderte sie, raffte ihre Röcke und rauschte an ihm vorbei, die Treppe hinab.
Verwirrt starrte er ihr nach. Er hatte sich noch immer nicht von seiner Verblüffung erholt, als sie innehielt und über die Schulter verkündete: „Natürlich mit Männern."
Dann eilte sie die restlichen Stufen hinab und zählte in Gedanken: Eins, zwei, dr . . .
„ Was hast du vor?"
In ihren violetten Augen funkelte unverhüllte Bosheit. Nonchalant ignorierte sie seinen Ruf und schlenderte durch die Halle.
„Was soll das Geschrei?"
Chloes Großmutter, Comtesse Simone de Fonbeaulard, kam aus dem Salon, gefolgt von Maurice Chavaneau, dem Marquis of Cotingham. Beim Anblick seines Onkels war John nicht sonderlich überrascht. Seit dreißig Jahren liebte der Mann die faszinierende Comtesse, und er hatte sogar seine französischen Ländereien verlassen, um sie nach England zu begleiten, nachdem ihr die Vormundschaft für Chloe anvertraut worden war.
Chloes Vater, ein Engländer wie John, hatte testamentarisch verfügt, Chloe müsse auf englischem Boden aufwachsen. Auf seinem englischen Boden, um es präzise auszudrücken. Da Chloe ihrer Großmutter mehr bedeutete als deren geliebtes château, verließ sie Frankreich. Doch sie betonte unentwegt, welch großes Opfer sie gebracht habe, was sie „diesem Engländer" niemals verzeihen würde. Da sie sich rächen wollte, taufte sie seinen georgianischen Landsitz, den sie mit der damals sechsjährigen Chloe bezog, in Chacun à Son Goût um - jeder nach seinem eigenen Geschmack.
Dieser neue Name spiegelte die Lebensphilosophie der Comtesse wider. Sie war eine extravagante, interessante Frau und bei den Männern ihrer gesellschaftlichen Kreise sehr beliebt. In ihrer Jugend hatte die reizvolle Witwe einen ähnlichen Ruf genossen wie John in späteren Jahren.
Jetzt wurden ihre bezaubernde Persönlichkeit und ihre hinreißende Schönheit immer noch bewundert, und der Marquis war ihr sklavisch ergeben. Angeblich machte er ihr jede Woche einen Heiratsantrag. Immer am Freitag, zur Teestunde.
Maurice Chavaneau, Johns einziger lebender Verwandter, war ein französischer Marquis und zog es vor, auch in England so genannt zu werden. In Johns Adern floss kein französisches, sondern norwegisches, keltisches und sächsisches Blut. Der Marquis, der Halbbruder von Johns Mutter, hatte seinen englischen Titel von diesem Familienzweig geerbt. John war sein einziger lebender Verwandter und somit sein Erbe.
Selbst wenn man ein gallisches Temperament besaß und die Torheiten der Jugend gelassen zu tolerieren pflegte, war es nicht besonders angenehm, einen leichtfertigen Lebemann wie John als Erben zu betrachten. Zudem zeigte der Bursche nicht die geringste Neigung, sich zu bessern. Trotzdem liebte der herzensgute Marquis den jungen Viscount. Obwohl er befürchtete, John würde niemals einen Erben zeugen und den Fortbestand der Familie sichern.
Maurice würde sogar einen illegitimen Erben willkommen heißen. Aber in dieser Hinsicht war John sehr vorsichtig. Offenbar wusste er genau, wie er sich
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