003 - Die schwarze Rose
ihre Hand und führte Chloe auf die Tanzfläche.
John bedeutete dem Orchester, ein Menuett zu spielen, einen Tanz, der kurze Schritte erforderte. Auf diese Weise wollte er die französischen Flüchtlinge ehren, die im Chacun à Sem Goût Asyl fanden. Die Aristokratie hatte sich geschworen, ihr Lieblingstanz dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Dankbar lächelte Chloe ihrem Mann zu.
Während sie mit Percy tanzte, hielt John nach Malleaux Ausschau und entdeckte ihn bei der Punschschale. Mit stechenden Augen musterte der Botschafter alle Anwesenden. Wie seine mürrische Miene verriet, wusste er die Musik nicht zu schätzen, die nun erklang. Das Menuett stellte einen Affront gegen das neue Regime dar.
Nachdenklich beobachtete John seine Frau und ihren Tanzpartner.
Der tolldreiste Kerl, den er in seinem Haus beherbergte.
Der ehemalige Pirat - und nur Gott mochte wissen, was er sonst noch gewesen war.
Die Schwarze Rose.
Beim Bankett herrschte eine angespannte Atmosphäre. Irgendwie war es Lord Snellsdon und seinem Begleiter gelungen, Plätze an der Haupttafel zu ergattern.
Chloe argwöhnte, der widerwärtige Franzose wäre in den Bankettsaal geschlichen, um Platzkarten zu vertauschen. Und sie vermutete, er würde den Ball aus einem ganz bestimmten Grund besuchen. Immerhin wurde die neue französische Regierung von der Schwarzen Rose lächerlich gemacht, und man hatte ihm zweifellos befohlen, den Verbrecher aufzuspüren. Da zahlreiche Gerettete im Chacun à Son Goût Asyl gefunden hatten, war es nur natürlich, dass er hier ermittelte.
John versuchte die Stimmung zu heben, indem er sich angeregt mit den Cyndreacs unterhielt, die Malleaux mörderische Blicke zuwarfen. Diesem Mann verdankten sie den Verlust ihres Erbes, was der Viscount nicht wusste.
Einem Gerücht zufolge wohnte Malleaux jetzt auf dem Cyndreac-Landsitz, den er für den Staat requiriert hatte. Und viele Leute glaubten, er hätte das Todesurteil der Brüder unterzeichnet, um sich die schönen Ländereien anzueignen.
Am liebsten würden sie den Mann eigenhändig erwürgen. Nur Maurices strenger Blick hinderte sie daran, aufzuspringen und über Malleaux herzufallen.
„Haben Sie schon von der Schafschur gehört, die Lord Iversly nächste Woche vornehmen lassen will? Ist das nicht wundervoll? All die hübschen kleinen Wollkugeln ..." Percy seufzte träumerisch. „Für diese süßen Schäfchen muss es einen besonderen Platz im Himmel geben."
Beinahe verschluckte sich John an seinem Wein. „Wieso denn das?" Warum er diese Frage stellte, wusste er selber nicht.
„Denk doch an die zauberhafte Garderobe, die uns diese lieben kleinen Tiere schenken! Was wäre die Mode ohne ihr weiches Fell?"
Mühsam unterdrückte John seinen Lachreiz. „Nun, wenn man's so betrachtet ..."
„Wirst du bei der Schafschur zuschauen?"
„Wohl kaum."
„Das ist ja auch nicht nötig. Wie jedermann sieht, wurde Seine Lordschaft selber zurechtgestutzt." Mit dieser Bemerkung sorgte Percy für allgemeines Gelächter.
„Wie meinst du das?" stieß John hervor.
Statt zu antworten, nippte Percy grinsend an seinem Wein.
John wandte sich zu Chloe. „Wie meint er das?"
Nonchalant zuckte sie die Achseln.
„Ich werde mir die Schafschur anschauen", verkündete Lord Snellsdon, den niemand gefragt hatte.
„Und Sie, Malleaux?" Percy schwenkte wieder sein Taschentuch umher und zwinkerte Chloe zu.
„Ich habe Wichtigeres zu tun", entgegnete Malleaux und musterte den Gecken höhnisch.
„Tatsächlich?" rief Percy und heuchelte Verblüffung. „Was denn zum Beispiel?"
„Das werden Sie gewiss nicht verstehen, Sir Percy. Ich interessiere mich für die Schwarze Rose."
Endlich legt er seine Karten auf den Tisch, dachte John.
„Für diesen Mann interessiert sich jeder." Mit einer weit ausholenden Geste fuhr Percys Hand durch die Luft. Beinahe hielt er seinen Ring unter Malleaux' Nase. „So ein faszinierender, tollkühner Bursche ..."
John hüstelte.
„Ich habe ein Gedicht über ihn geschrieben. Möchten Sie's hören?"
„Eigentlich nicht." Malleaux schob ein Stück Fleischpastete in den Mund.
„Ohhh!" schmollte Percy, und John beobachtete ihn amüsiert. Welch hervorragender Schauspieler . . .
„Was interessiert Sie denn so sehr, an der Schwarzen Rose, Malleaux?" fragte Maurice in ernsthaftem Ton.
„Natürlich will ich ihn einfangen und vor Gericht stellen!"
„Vor welches Gericht?" Die Comtesse de Fonbeaulard ertrug es kaum, mit dem verhassten Mann an einem Tisch
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