003 - Die schwarze Rose
schneller.
Trotz seines fragwürdigen Rufs sprach der Viscount immer nur aus, was er auch wirklich meinte. Niemals war er ein verlogener Schmeichler gewesen. Nach Chloes Ansicht übte er nicht zuletzt wegen seiner Ehrlichkeit eine so starke Wirkung auf die Frauen aus, die an unaufrichtige Komplimente gewöhnt waren. Sie wussten immer, was er wollte. Sinnliche Genüsse. Sonst nichts.
Und so erkannte Chloe eine besondere Bedeutung in seinen Worten. „Das hast du sehr nett gesagt, John." Ihre violetten Augen strahlten ihn an.
„Vermutlich neige ich zum Märtyrertum", neckte er seine Frau und hauchte einen Kuss auf ihre Nasenspitze.
„Oh . . . Das war gar nicht komisch."
„Nein?"
Chloe überlegte, ob sie auf seine Zehen treten sollte. Aber mit ihren leichten Ballschuhen würde sie nicht viel ausrichten. Sie seufzte erbost.
„Darf ich?" Percy blieb neben ihnen stehen und streckte eine Hand nach Chloe aus.
Nur widerstrebend fügte sich John in sein Schicksal und überließ ihm seine Frau. Als sie die Hand des Gecken ergriff, stieß einer seiner zahlreichen Ringe gegen ihren Finger.
„Verzeihen Sie, Lady Sexton."
„Das war meine Schuld, Percy . . . Sehen Sie doch, der Ring hat sich geöffnet!"
Verwundert hob sie seine Hand hoch, um das merkwürdige Schmuckstück genauer zu betrachten. Ein kleiner verzierter Deckel war nach oben geklappt. Darunter zeigte sich ein kunstvoll gestaltetes Symbol.
John beugte sich neugierig vor, und Percy runzelte die Stirn.
„Sehr schön", meinte Chloe. „Was ist das? Eine Blume auf dunklem Tuch ..."
„Eine Pimpernelle, Madam, mein Familienwappen."
Johns Atem stockte. Eine Pimpernelle? Die Blüte glich eher einer Rose. Die Schwarze Rose . . . Percys hellblaue Augen erwiderten seinen fragenden Blick.
Wortlos starrten sie sich an, und Percy war der Erste, der wegschaute. Ohne weitere Erklärungen abzugeben, ließ er den Deckel des Rings zuschnappen.
„O Gott, John!" stöhnte Chloe und schob angewidert die Unterlippe vor. „Ist das nicht dieser grauenhafte Lord Snellsdon? Was macht er hier?"
„Keine Ahnung", murmelte John geistesabwesend, von seiner ungeheuerlichen Entdeckung abgelenkt.
Lord Snellsdon eilte zu ihnen, an der Seite eines Mannes, der ihn offenbar zu diesem Ball begleitet hatte.
„Nicht zu fassen!" zischte Chloe. „Diesen Schurken in mein Haus zu bringen!"
John kannte den Gast nicht, aber Percy war ihm offenbar schon einmal begegnet, denn er versteifte sich.
„Guten Abend, Lord und Lady Sexton", begrüßte Snellsdon die Gastgeber. „Sir Percy . . . Was für ein wundervolles Fest. Darf ich Ihnen einen Freund vorstellen?
Bürger Malleaux."
„Oh, ich kenne Bürger Malleaux", sagte Chloe frostig.
Noch nie hatte John ein so unhöfliches Verhalten seiner Frau beobachtet. Aber angesichts des Franzosen, von dem eine unheimliche, beklemmende Wirkung ausging, verstand er ihre Abneigung.
Widerwillig nickte John ihm zu. „Malleaux ..."
„Freut mich, Eure Lordschaft kennen zu lernen", erwiderte Malleaux mit scharfer Stimme.
„Ah, der Botschafter!" Percy verneigte sich formvollendet, bevor er im Bühnenflüsterton weitersprach, so dass der halbe Saal zuhörte. „Dieses triste Braun sollten Sie nicht tragen -zu plebejisch, guter Mann."
Ringsum kicherten mehrere Gäste und amüsierten sich auf Malleaux' Kosten, der sichtlich in Wut geriet. Dann entdeckte Lord Snellsdon glücklicherweise einen Bekannten, der ihm zuwinkte, und ging mit dem Franzosen zu ihm.
„Grandmere wird sich maßlos ärgern", fauchte Chloe.
„Wer ist dieser Malleaux?" fragte John leise.
„Robespierres Spießgeselle", antwortete Percy. „Angeblich ließ er ein paar Hundert Aristokraten hinrichten. Ein Schlächter, als Diplomat getarnt."
Forschend schaute John in Percys Augen. „Ich verstehe."
„Wie kann er es wagen, hier aufzutauchen?" Voller Zorn ballte Chloe ihre Hände.
Nur mit knapper Not war die Hälfte der Gäste seiner grausamen Justiz entronnen.
Percy schwenkte sein duftendes Taschentuch durch die Luft, als wollte er Malleaux'
unangenehme Ausdünstung verscheuchen. „Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, ihn heute Abend zu enthaupten. John möchte sich wohl kaum mit einem internationalen Zwischenfall befassen. Außerdem wäre es fatal, wenn sein Kopf über die festliche Tafel in den Pudding rollen würde, nicht wahr?"
Mit diesem makabren Scherz heiterte er Chloe ein wenig auf. „Ihr Humor ist einzigartig."
„Ganz meine Meinung", verkündete er, ergriff
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