0032 - Der Turm der 1000 Schrecken
telefonisch von London aus zwei Zimmer reservieren ließ. Mein Freund schüttelte in der Hotelhalle den Regen wie ein begossener Pudel ab und machte vernehmlich: »Brrr!«
Der Hausdiener brachte unser Gepäck nach oben. Wir folgten ihm. Mir fielen wieder die Worte meines Chefs ein. Superintendent Powell hatte mich in sein Büro gebeten und mir mitgeteilt, daß es in Gloucester allem Anschein an nicht mit rechten Dingen zugehe.
»Eine junge Frau, sehr religiös«, führte der Superintendent aus, »wollte ihr geliebtes Baby ertränken. Ein dreiundzwanzigjähriger Mann, ausgeglichen und lebensfroh, übergoß sich ohne jedes Motiv mit Benzin. Er wäre beinahe den Feuertod gestorben, wenn Passanten ihn nicht daran gehindert hätten. Eine Woche später wollte ein Busfahrer mit dreizehn Fahrgästen in den Avonfluß rasen. Er konnte gerade noch rechtzeitig überwältigt werden. Diese Häufung mysteriöser Vorfälle gibt mir zu denken, John. Vorgestern erst fiel ein Mann namens George Holding völlig grundlos über seinen Nachbarn her. Ich möchte, daß Sie sich nach Gloucester begeben, John.«
»Okay, Sir«, sagte ich.
»Keiner weiß, woher dieser gefährliche Einfluß kommt. Ich hoffe, Sie können das herausfinden.«
Ich nickte. »Das hoffe ich auch, Sir.« Und nun waren wir hier, in dieser 72.000-Einwohner-Stadt, die von irgendeiner bösen Strömung erfaßt worden war, und die ich von diesem Fluch wieder befreien sollte. Ob mir das auch gelingen würde, stand vorläufig noch auf einem anderen Blatt.
Zwei Stunden nach unserem Eintreffen aß ich mit Inspektor Thomas Grey zu Mittag. Er war ein hagerer Mann mit grauem Haar und tiefliegenden Augen. Die geheimnisvollen Vorkommnisse bereiteten ihm Sorgen.
Deshalb begrüßte er meine Anwesenheit in Gloucester. Er wußte, daß mich meine Kollegen hin und wieder scherzhaft Geisterjäger nannten, und er glaubte jetzt an eine Lösung des Falles.
Superintendent Powell hatte mir einige dürftige Unterlagen ausgehändigt, die ich sorgfältig studiert hatte und nun zu ergänzen versuchte.
Doch Thomas Grey hob bedauernd die Schultern. »Tut mir leid, Oberinspektor. Aber mehr, als in Ihren Unterlagen steht, weiß ich leider nicht. Ihnen gegenüber brauche ich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wir stehen hier vor einem unlösbaren Rätsel. So etwas ist mir in meiner zweiunddreißigjährigen Berufslaufbahn noch nicht untergekommen. Die Leute, die diese Wahnsinnstaten begingen, wurden von den besten Psychiatern unserer Stadt untersucht. Es konnte keinerlei Geisteskrankheit festgestellt werden. Die Leute sind vollkommen normal. Aber gibt es normale Verrückte?«
»Ich denke ja«, sagte ich und nahm einen Schluck von meinem Bier.
»Wie meinen Sie das?« fragte mich Inspektor Grey verwirrt.
»Diese Menschen sind normal…«
»Aber sie haben verrückte Dinge getan.«
»Dinge, die ihnen befohlen wurden.«
»Befohlen? Von wem?«
»Das«, sagte ich mit einem vagen Lächeln, »muß ich herauszufinden versuchen.«
»Wird nicht leicht sein«, sagte Grey und wiegte den Kopf. »Darf ich noch einmal rekapitulieren?«
Ich nickte.
»Sie nehmen also an, daß diese Leute unter irgendeinem geheimnisvollen Zwang gehandelt haben. Sie waren während der Zeit ihrer Tat nicht Herr ihrer Sinne, waren lediglich Marionetten, die irgend jemand nach seinem Willen gegängelt hat.«
»Damit haben Sie mitten ins Schwarze getroffen«, erwiderte ich.
Thomas Grey kratzte sich am Hinterkopf. »Und wie wollen Sie es anstellen, diesem gefährlichen Unbekannten auf die Schliche zu kommen?«
»Weiß ich noch nicht«, gab ich ehrlich zu.
»Was bezweckt der Kerl mit seinem Tun?«
»Kann ich Ihnen vorläufig auch noch nicht sagen, mein lieber Grey. Geben Sie mir ein paar Tage Zeit. Vielleicht weiß ich danach auf die eine oder andere Frage eine Antwort.«
Wir trennten uns mit dem Versprechen, einander auf dem laufenden zu halten. Dreißig Minuten später saß Suko neben mir im Wagen. Es hatte zu regnen aufgehört, und mein Partner sah nun wieder ein bißchen zufriedener aus.
Wir suchten die Besessenen der Reihe nach auf. Wir unterhielten uns mit ihnen und mit den Leuten, die mit ihnen zu tun gehabt hatten.
Keines der Gespräche brachte uns weiter. Keine der Personen konnte sich an das, was sie getan hatten erinnern.
George Holding war der letzte auf unserer Liste. Es war kurz vor sechs, als wir das Haus betraten, in dem er wohnte. Wir suchten zunächst seinen Nachbarn Jim Barclay auf.
Barclay musterte uns
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