0032 - Der Turm der 1000 Schrecken
was sich an jenem Abend abgespielt hat?«
»Sie wissen es doch.«
»Wir kennen ein paar Aussagen, das ist richtig. Aber uns fehlt Ihre Aussage. Wenn die Erinnerung nicht zu sehr Ihre Nerven strapaziert, hätten wir gern aus Ihrem Mund den Tathergang erfahren.«
Holding lächelte bitter. »Ich denke die ganze Zeit an nichts anderes. Leider ist es nicht viel, was ich zu erzählen habe. Ich fürchte, Sie werden enttäuscht sein, Oberinspektor.«
Ich bat ihn, trotzdem zu berichten.
Er wies auf einen Ledersessel. »Ich saß dort und war guter Dinge. Ich war allein und dachte an ein Mädchen, das ich erst kürzlich kennengelernt hatte. Irgendwann irritierte mich etwas. Es war dieses Madonnenbild.«
Ich richtete meinen Blick auf das an der Wand hängende Gemälde. Das Glas hatte einen Sprung. »Was war mit dem Bild?« erkundigte ich mich.
»Es wackelte wie bei einem Erdbeben. Aber es war kein Erdbeben. Alle anderen Bilder und Möbel bewegten sich nicht.«
»Was machten Sie?« fragte ich.
»Ich wollte das Bild festhalten, bekam einen elektrischen Schlag – und bemerkte plötzlich, daß die Madonna Blut weinte.«
»Blut?« Meine Frage klang ungläubig.
Holding nickte bestimmt. »Es waren Blutstropfen, die aus ihren Augen quollen.«
Ich erhob mich, um mir das Gemälde aus der Nähe anzusehen.
Holding sagte hinter mir: »Einen Augenblick später hüpfte das Bild buchstäblich vom Haken. Das letzte, was ich mitbekam, war, daß das Glas brach. Dann riß bei mir der Film. Von diesem Moment an kann ich mich an nichts mehr erinnern. Ich kam erst wieder in der Nervenklinik zu mir. Sie können sich vorstellen, wie verstört ich war, als man mir erklärte, weshalb ich eingeliefert worden war.«
Auch Suko sah sich das Gemälde interessiert an.
Holding fragte zaghaft: »Glauben Sie, was ich Ihnen erzählt habe, Oberinspektor?«
Ich nickte. »Für mich steht fest, daß Sie das Opfer eines übersinnlichen Anschlags wurden, Mr. Holding. Mr. Barclay berichtete uns, daß Sie mit einer völlig fremden Stimme zu ihm gesprochen hatten. Sie waren besessen. Irgendeine böse Strahlung muß Sie getroffen und zu diesem Amoklauf verleitet haben.«
Holding fuhr sich an die Schläfen. »Gütiger Himmel, warum?«
»Sie sind nicht das erste Opfer.«
»Könnte sich dieser Vorfall… ich meine, könnte sich das Ganze wiederholen?«
»Da bin ich leider überfragt, Mr. Holding«, gab ich zurück.
Plötzlich hörte ich Sukos scharfe Stimme: »John!«
Ich drehte mich hastig um. Mein Freund wies auf die Madonna. Mich überlief es eiskalt. Das Bild schaukelte leicht. Es war kaum zu bemerken. Deutlich zu erkennen waren jedoch die blutigen Tränen, die soeben aus den großen Augen quollen.
»Neiiin!« schrie George Holding bestürzt auf. »Herrgott, steh mir bei, ich möchte das nicht noch mal erleben!«
***
Carla Berg konzentrierte sich. Sie schloß für einen Moment die Augen, hielt die schwere Kugel in beiden Händen, lief dann mit geschmeidigen, katzenhaften Bewegungen an und ließ die dunkelbraune Kugel auf die Kegel zusausen.
Stille. Alle warteten auf das Ergebnis dieses Wurfs, der das ganze Spiel entscheiden konnte. Die Kugel zog über die Bahn, prallte im nächsten Augenblick gegen die Kegel und fegte sie alle mit großer Wucht fort.
Jubelgeschrei.
»Bravo!«
»Alle Neune!«
Die Mitglieder des Kegelklubs waren voll des Lobes. Carla, ein schlankes, gut gewachsenes Mädchen aus Düsseldorf, schüttelte ihre weizenblonden Haare zurück.
Lächelnd nahm sie die Glückwünsche ihrer Partner entgegen. Die Partie war damit beendet. Carla hatte ihrer Mannschaft zu einem klaren Sieg verholten. Sie trug einen weißen Hosenanzug, der sich wie eine zweite Haut an ihren makellosen Körper schmiegte.
Ihr Haar duftete nach Lindenblüten. Sie hatte große, ausdrucksstarke Augen. Ihr sinnlicher Mund zog alle Männerblicke an.
Ihre Mannschaft bestand aus Cedric Knight, Dave Donovan, Roy Walker und Odetta Harrison.
Die Gegner hießen Jerry McCann, Arthur Broom, Laureen McDonald, Angela Scott und Sylvia Stipplefield. Sie alle fanden, daß es keine Schande war, gegen ein solch überragendes Kegeltalent zu verlieren.
Carla genoß es, durch ihre überragende Leistung zum Mittelpunkt der Runde geworden zu sein. Sie lachte aufgekratzt und ließ sich von ihrer Freundin Odetta auf beide Wangen küssen.
»Habe ich euch nicht gesagt, daß Carla eine Wucht ist?« rief Odetta und hakte sich bei der Deutschen unter. Odetta Harrison war dunkelhaarig und
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