0034 - Dracula gibt sich die Ehre
in die Bresche zu springen. Daran dachte Harold Farmer, als er zusammen mit Dom de Louise auf die vier Leute wartete.
Sein früheres Leben war wie ausgelöscht. Ihn interessierte das nicht mehr, was er noch vor wenigen Stunden für begehrenswert gehalten hatte. Karriere, Ruhm – sie waren anders gepolt worden.
Er steckte seine Ziele zwar ebenso hoch, aber in eine andere Richtung. Die Macht würde er bekommen. Macht über Menschen. Ja, er würde sie durch die Vampirtaufe in seine Abhängigkeit bringen.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken. Die beiden Untoten tauschten einen schnellen Blick. De Louise lächelte, als er mit fester Stimme rief: »Come in!«
Ein Bediensteter öffnete die Tür, verbeugte sich und meldete die vier Besucher an.
Es waren die typischen Bilderbuchdiplomaten. Vertreter der Regierung auf der mittleren Ebene und bereit, den Sprung in die oberen Etagen zu wagen.
Ihr Lächeln wirkte wie einstudiert, die Kleidung ähnelte sich. Auch die vier Aktenkoffer schienen beim selben Hersteller gekauft worden zu sein.
Der Portier zog sich zurück und schloß lautlos die Tür. Die Männer reichten sich die Hände. Keinem der vier Neuankömmlinge fiel auf, wie kalt die Finger der Vampire waren. Kalt wie Eis und dabei trocken und spröde. Harold Farmer mußte sich beherrschen, um nicht jetzt schon aus der Rolle zu fallen. Gewaltsam zwang er sich zu einem verbindlichen Lächeln und nahm ebenso Platz wie die anderen. Dom de Louise saß am Kopfende des Konferenztisches. Die vier Besucher klappten ihre Koffer auf, entnahmen ihnen Akten und legten sie vor sich auf den Tisch.
Jemand fragte: »Können wir nicht das Licht einschalten? Es ist ein wenig dunkel.«
»Natürlich, meine Herren«, erwiderte Dom de Louise, »aber ich finde es so gemütlicher, was meinen Sie?«
Die Besucher blickten sich verwundert an.
Unter dem Tisch bewegte Harold Farmer die Finger, krallte und verknotete sie ineinander, ballte die Hände zu Fäusten und mußte mit aller Kraft seinen Trieb unterdrücken.
»Wenn Sie meinen, Mr. de Louise.«
Farmer brummte sich etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Als die anderen ihn anschauten, hielt er sich blitzschnell eine Hand vor den Mund und räusperte sich. »Sorry, ich…«
»Gut, kommen wir zum Thema.« Dom de Louise, der alte Praktiker, übernahm geschickt die Gesprächsinitiative.
»Wir haben hier einige Projekte vorliegen, über deren Kosten ich mir meine Gedanken mache. Vorerst einmal können wir schlecht im Ausland investieren, wenn unser eigener Währungskurs so sinkt. Und ein Ende der Talfahrt ist nicht abzusehen. Ich bin dafür, daß wir mindestens die Hälfte der Projekte streichen.«
Der letzte Satz forderte den Widerspruch der vier Politiker geradezu heraus.
Ihr Sprecher formulierte es so: »Wir haben uns gedacht, Mr. de Louise, daß wir in Zukunft…«
Harold Farmer hörte gar nicht hin. Er ließ den Mann reden. Seine Blicke wieselten über die Anwesenden, streiften deren Gesichter und schauten auch Dom de Louise an, der sehr interessiert tat und in Wirklichkeit doch nur auf die Chance wartete, die anderen zu überrumpeln.
Sie sollen aufhören! Macht endlich Schluß mit dem Gerede! Harold Farmer rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er war nervös, er saß auf dem Sprung und konnte sich kaum noch beherrschen.
Hier saßen vier ahnungslose Menschen. Menschen, die ihnen vertrauten, die an nichts Böses dachten und sich nicht wehren würden.
Die Überraschung mußte gelingen.
Der Mann, der Dom de Louise angesprochen hatte, machte eine Pause und blickte in die Runde, so als erwarte er Beifall für seine Worte. Die drei Kollegen nickten, während de Louises Gesicht ausdruckslos blieb und sich bei Harold Farmer der Widerstreit der Gefühle spiegelte. Dann stand Dom de Louise auf.
»Haben Sie eine Entscheidung getroffen, Sir?« wurde er gefragt.
»Ja.«
»Und die lautet?« Der Frager verzog das Gesicht zu einem Lächeln.
»Wir werden Sie töten!«
Endlich! Endlich hatte Dom de Louise die Worte ausgesprochen. Harold Farmer jubilierte innerlich. Er sprang so heftig auf, daß er mit den Kniekehlen den Stuhl warf. Das polternde Geräusch unterbrach das betretene und auch erschrockene Schweigen. Irritiert sahen sich die vier Männer an. Dann formulierte ihr Sprecher vorsichtig: »Ich glaube, Sie nicht richtig verstanden zu haben, Sir…«
»Sie werden sterben, Gentlemen«, wiederholte Dom de Louise seinen Satz.
»Um dann wieder zu erwachen«,
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