0034 - Dracula gibt sich die Ehre
da vor ihm stand.
»Du erkennst mich?« fragte de Louise. Jetzt, da sie Verbündete waren, duzten sie sich.
Farmer deutete ein Nicken an.
»Wie fühlst du dich?«
»Gut.« Die Antwort war kaum zu verstehen.
Dom de Louise kicherte. »Du wirst dich bald noch viel besser fühlen, mein Freund, wenn erst dein Durst gestillt ist. Zieh deine Oberlippe zurück, Harold!«
Farmer gehorchte.
Dom de Louise sah die beiden spitzen Eckzähne, die deutlich von den anderen Zähnen abstachen. Er hatte es also geschafft.
Harold Farmer war zu einem Vampir geworden!
De Louise streckte die rechte Hand aus. »Komm, mein Freund, ich helfe dir hoch!«
Zwei kalte Hände fanden sich, und Harold Farmer kam auf die Füße. Er mußte gestützt werden, da er zu wackelig auf den Beinen war.
Der Spiegel über dem kleinen Waschbecken zeigte nichts. Nicht einmal die Umrisse der beiden Männer. Sie waren zu hundertprozentigen Untoten geworden, zu Geschöpfen der Hölle. »Komm mit ins Büro«, sagte de Louise, »ich will dir deine Aufgabe erklären.«
Harold Farmer folgte seinem Vorgesetzten. Dom de Louise rollte einen Besuchersessel heran und bat Harold, darin Platz zu nehmen. Er musterte seinen Assistenten.
Nichts war mehr von der solariumbraunen Haut vorhanden. Sie hatte die Farbe gewechselt, war bleich, eines Vampirs würdig. Ohne große Schwierigkeiten hatte sich Harold Farmer in die Kaste der Blutsauger eingereiht. Aber noch hatte er zu kämpfen, noch wußte er nicht, worin seine eigentliche Aufgabe lag. Dom de Louise erklärte es ihm.
Er berichtete von D. Kalurac, dem Vampir aus Rumänien und Draculas Neffen.
»Er ist unser Meister, Harold, ihm nur müssen wir gehorchen, denk immer daran. Was er sagt, müssen wir tun. Er weiß alles, und er hat die Jahrhunderte überdauert. Verstehst du mich?«
»Ja, ich verstehe dich, Dom. Aber was soll ich tun?«
»Langsam, langsam. Du kommst schon noch zu deinem Recht. Und noch etwas, wir haben gegen siebzehn Uhr eine Besprechung. Vier Vertreter des Ministers sind anwesend. Sie werden in unsere Reihen aufgenommen. Du nimmst dir zwei vor und ich die beiden anderen. Ist das klar?«
»Natürlich, ich freue mich schon darauf.«
Das Lächeln de Louises wurde hintergründig. »Wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben, verschwinden wir so rasch wie möglich. Wir setzen uns in meinen Wagen und fahren zu ihm.«
»Und wo wohnt er?«
»In einer alten Leichenhalle, draußen auf dem Land. Mehr verrate ich dir nicht.«
»Was geschieht, wenn die anderen vier auch zu uns gehören?« wollte Farmer wissen.
Jetzt lachte Dom de Louise. »Sie werden sich ebenfalls Opfer suchen. Und zwar unter ihren nahen Bekannten und Kollegen. Das sind alles Menschen, die im Regierungsgeschäft tätig sind. Staatssekretäre, Mitglieder des Parlaments. Wir werden eine wahre Flut von Vampiren erleben. Eine Invasion ist nicht mehr aufzuhalten. Wir sind die Sieger!«
Harold Farmers Augen begannen zu glänzen. »Unwahrscheinlich«, flüsterte er, »das ist unwahrscheinlich.«
Dom de Louise lachte. »Du sagst es, mein Lieber, es ist phänomenal. Endlich ist unsere Stunde gekommen.«
Die Tür wurde aufgedrückt, und Wanda Pernell stand im Raum. Die beiden Untoten bemerkten sie nicht, sie lachten weiter, aber Wanda hatte scharfe Augen. Genau schaute sie hin.
Die Frau erschrak bis ins Mark. Unendlich behutsam zog sie die Tür ins Schloß. Sie wurde dabei ebenso wenig gesehen wie zuvor…
***
Mit zitternden Knien ging Wanda Pernell in ihr Büro zurück. Schwer fiel sie auf ihren Schreibtischstuhl, und in ihrem Schädel wirbelten die Gedanken.
Was ging hinter dieser gepolsterten Tür eigentlich vor? Sie hatte Harold Farmer gesehen, der angeblich krank und von de Louise nach Hause geschickt worden war. Den beiden Männern, die sich sonst nicht leiden konnten, schien es aber blendend zu gehen, denn sie hatten gelacht und verstanden sich prima. Etwas stimmte hier nicht. Warum hatte Dom de Louise sie belogen? Wanda Pernell war eine Frau in den besten Jahren. Als Junggesellin hatte sie sich immer durchzusetzen vermocht. Nicht umsonst saß sie bereits seit vier Jahren auf dem sehr begehrten Posten einer Chefsekretärin. Über ihr Privatleben wußte niemand etwas. In der etwas molligen Wanda Pernell sah jedermann nur die Arbeitsmaschine.
Wanda hatte noch etwas gesehen. Die beiden Männer waren nicht mehr normal. Deutlich hatte sie bei Harold Farmer die beiden spitzen Eckzähne entdeckt. Und das bedeutete nur eins. Farmer war ein
Weitere Kostenlose Bücher