0035 - Im Land der Götter
Umschweife.
„Ja", antwortete Marshall kurz und fing an, den Gehirninhalt des Priesters zu sondieren.
„Darf man fragen, woher?" wollte Honbled wissen.
Nanu, denkt er nichts? fragte sich Marshall.
„Von den Bergen herunter", antwortete er.
Das war auf gut Glück gesprochen. Marshall kannte sich in der Topographie des Inselkontinents nicht genug aus, um zu wissen, ob es überhaupt Berge gab. Er spürte jedoch, wie sehr es Vethussar Spaß machte zu hören, daß Honbled angeschwindelt wurde.
Aber Honbled selbst?
„Von den Bergen?" staunte der Priester. „Ihr gehört zu dem harten Stamm der Gebirgsleute, der dort oben Wind und Wetter trotzt und zur Freude der Götter in völliger Enthaltsamkeit lebt?"
Marshall wurde immer verwirrter. Tako Kakuta schien diese Verwirrung zu spüren und übernahm die Antwort.
„Nun, ganz so enthaltsam, wie man es hier unten hört, sind wir nicht", behauptete er dreist. „Wir haben unser Auskommen, feiern unsere Feste, und von unseren Frauen wird behauptet, daß sie die schönsten im Land seien."
Honbled machte ein enttäuschtes Gesicht.
„Das zu hören", sagte er halbwegs beleidigt, „ wird den Göttern nicht gefallen. Die Götter lieben es, wenn ihre Geschöpfe enthaltsam leben. Schwelgerei bestrafen sie hart."
Dem Japaner schien die Unterhaltung Spaß zu machen.
„Ich behaupte nicht, daß wir schwelgen", entgegnete er. „Ich wollte nur richtigstellen, daß wir auf der anderen Seite auch nicht gerade auf trockenen Holzstangen sitzen und von der Luft leben."
Vethussar amüsierte sich königlich.
„Und wir heben auch gern einen...!" krähte Tama Yokida. Der Himmel mochte wissen, woher er den Slang-Ausdruck hatte. Honbled erhob sich indigniert. „Ich sehe", rettete er sich aus der unangenehmen Lage, „ihr habt eine lange Reise hinter euch und seid noch nicht ganz wiederhergestellt. Mit dem Willen der Götter und dem euren werde ich euch morgen noch einmal besuchen, um euch zuzuhören und mehr über die Menschen der Berge zu erfahren."
Er winkte mit der linken Hand und ging hinaus. Vethussar folgte ihm grinsend. Marshall sprang auf, sobald sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte.
„Er hat einen Block!" keuchte er. „Ich kann seine Gedanken nicht erkennen."
Tama Yokida schüttelte in aller Ruhe den Kopf.
„Nein, er hat keinen Block", behauptete er ruhig.
Marshall sah ihn verblüfft an. Er wußte, daß Yokida mit seiner telekinetischen Gabe die Fähigkeit besaß, die Konturen auch unsichtbarer Gegenstände abzutasten. Ein mechanisches Gerät - auch wenn es noch so klein war - im Gehirn des Priesters hätte er also erkennen können.
„Was hat er dann?" bellte Marshall.
„Er hat überhaupt nichts", antwortete Yokida lächelnd. „Er ist etwas ... nämlich ein Robot."
3.
a-G-25 kam erstaunlich schnell zurück. Szoltan sah ihn aus dem ersten Stock des Hauses, das der Agent bewohnte, die Straße entlangkommen. Szoltan nahm sich Zeit, sich über die Unterwürfigkeit zu amüsieren, mit der die Straßenpassanten a-G-25 grüßten, und gleichzeitig den Einfallsreichtum der Konstrukteure zu bewundern, die aus dem Robot ein so überaus menschenähnliches Wesen gemacht hatten.
a-G-25 betrat das Haus durch die schmale Tür, die über eine niedrige Treppe direkt auf die Straße mündete. Ein paar Minuten später stand er neben Szoltan. Er keuchte wie ein echter Mensch. Er zog ein Tuch aus der Tasche seines fleckigen Priestergewandes und wischte sich über die Stirn.
„Sie sind es", stieß er hervor. „Kein Zweifel daran."
„Von der Besatzung der LEV XIV?"
a-G-25 streckte die Hände in Unwissenheit aus.
„Wie soll ich das wissen?" fragte er. „Ich durfte sie nicht danach fragen, nicht wahr?" Szoltan wurde ärgerlich. „Woher weißt du also, daß es die Gesuchten sind?"
„Unter den Leuten auf der Insel", antwortete a-G-25, alias Honbled, „gibt es keine Telepathen. Aber einer von den vieren war einer. Ich spürte, wie er nach meinem Gehirn tastete."
Szoltan lächelte ein wenig verächtlich a-Gs-25 Gehirn - das war, über den ganzen Körper verteilt, ein Sammelsurium von schnellen und langsamen Schaltelementen, Impulsspeichern, gedruckten Leitungen und Kontrollanzapfungen zur Spannungsmessung. Allerdings, und das war das wichtige, besaß der Robot unter anderem ein Registriergerät, mit dem er telepathische Ausstrahlungen wahrnehmen konnte.
Szoltan war nicht sonderlich zufrieden.. „Was haben sie dir erzählt?" a-G-25 berichtete es.
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