0038 - Die Horror-Reiter
Diener!« Die letzten Nebelstreifen vor dem Tor faserten auseinander, kaum daß die Stimme erklungen war. Dann verschwand die graue Suppe völlig.
Frei lag das Dimensionstor vor den Augen des dämonischen Abts.
Die Fläche innerhalb der beiden Seiten veränderte sich. Das Flirren wurde weniger, verschwand plötzlich, und das grauschwarze Gestein verwandelte sich in eine helle, spiegelnde Fläche.
Gebannt beobachtete Don Alvarez dieses Phänomen. Er erlebte es nicht zum ersten Mal und wurde doch immer wieder davon mitgerissen. Der dämonische Einfluß war in diesem Gewölbe unglaublich stark. Er konnte sich so verbreiten, da es hier unten keinen Gegenpol gab. Die Kräfte des Lichts waren ausgeschaltet.
Noch tat sich nichts auf der Spiegelfläche, doch der Abt wußte genau, daß sie sich bald verändern und ihm ein Bild zeigen würde. Dann erhielt er neue Informationen aus dem Reich der Schatten. Vielleicht sah er auch den Meister, der Spuk genannt wurde und oft als grausames Wesen auftrat, das mit eiserner Strenge über die schwarzen Seelen der Dämonen herrschte. In seinem Reich vegetierten die Dämonenseelen dahin, die von mächtigen Gegnern verbannt oder getötet worden waren. Doch der Spuk trat nicht auf. Dafür sah Don Alvarez andere. Vier Reiter!
Sie schienen aus einer unendlichen Ferne zu kommen, galoppierten nebeneinander her, und all das geschah in einer gespenstischen Lautlosigkeit, die dem Betrachter eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Die Reiter näherten sich, wurden deutlicher. Sie hockten auf pechschwarzen Pferden, trugen lederne Rüstungen. Auf ihren Köpfen saßen die Helme wie festgeklebt. Von der oberen Hälfte ihrer Gesichter war nichts zu sehen. Rote Masken verdeckten sie. Nur die unteren Teile schauten hervor. Sie glänzten knochenbleich. Die vier Reiter! Sinnbild der Apokalypse. Sie brachten die vier großen Plagen. Krieg, Pest, Tod und Hunger!
Diese Reiter existierten schon seit Urzeiten. Im Mittelalter hatten sie ihre große Zeit. Während des Dreißigjährigen Krieges brachten sie die Pest über Europa, förderten die Hungersnöte, brachten das Grauen mit und säten den Tod. Vier Reiter – vier Leibwächter.
Jeder der Reiter trug einen Buchstaben auf der Rüstung. Don Alvarez las von links nach rechts. A-E-B-A Das Wort, um das sich alles drehte. Es war ein Geheimnis der Hölle und wurde von den Reitern gelüftet. Nur wenige wußten, was Aeba bedeutete, und waren darüber informiert, daß die vier Reiter höheren Dämonen als Leibwächter dienten. Denn auch die Hölle hatte ihre Günstlinge. So wie die Erzengel die Schützer des Himmels sind, gibt es in der Hölle den schrecklichen Gegenpol. Vier grausame Hauptdämonen. Astaroth, Eurynome, Bael und Amducias! Vier Namen, vier Begriffe, vier Anfangsbuchstaben. Die Anfangsbuchstaben aneinandergefügt ergaben das Wort Aeba.
Dieser geheimnisvolle Begriff, der schon manche Menschen vor Rätsel gestellt hatte, war ganz einfach zu erklären. Man mußte es nur wissen.
Und Don Alvarez wußte, was er von Aeba zu halten hatte. Für ihn war dies alles. Aeba bestimmte sein Leben, Aeba hatte ihn in den Klauen. Aeba war das Böse an sich.
Der Reiter ganz links sprengte vor, während die anderen drei etwas zurückblieben.
»Hör zu, Unglückseliger!« dröhnte dem Abt die donnernde Stimme entgegen. »Wir haben den gefunden, der aus dem Kloster geflohen ist. Er hat es bis zu einem Land geschafft, das nördlich von hier liegt. England heißt es. Dort ist er zu einem Freund gelangt, gezeichnet und völlig am Ende. Aber er konnte noch reden. Aeba ist bekannt geworden, und nicht nur Emilios Freund weiß davon, sondern auch ein Mann, der unser erklärter Feind ist und den wir bis aufs Blut hassen. Der Mann heißt John Sinclair.«
Der Reiter legte eine Sprechpause ein. Don Alvarez zuckte in einer hilflosen Gebärde die Schultern. »Was soll ich tun?«
»Du wirst mehrere Dinge tun. Erst einmal mußt du den Mann bestrafen, der Emilio zur Flucht verholfen hat.«
»Wer ist es?«
»Gulio Ortega!«
»Der Kalfaktor?«
»Ja. Er und sein Sohn haben gemeinsam das Komplott gegen dich geschmiedet. Und aus diesem Grund müssen beide sterben. Hörst du – beide!«
»Ja.«
»Wenn dies erledigt ist, wirst du dich um deine Brüder kümmern.«
»Soll ich sie auch töten?«
»Nein. Sie sollen nur in einen magischen Tiefschlaf fallen, aus dem sie irgendwann erweckt werden, wenn ich sie brauche. Ich will sie später zu unseren Dienern machen, damit sie
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