004 - Geheimcode Alpha
Chlorverbindungen bestand er zu etwa 90 Prozent aus nicht atembarer Kohlensäure. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung wirkte die Venus-Atmosphäre wie ein Treibhaus, in das die Sonnenstrahlung zwar eindrang, aus dem sie aber nicht wieder entweichen konnte. Die Durchschnittstemperaturen auf der Venusoberfläche betrugen annähernd 480 Grad Celsius.
Auch wenn sich Venus-Alpha in der gemäßigten Zone der Venus befand, einem schmalen Streifen, der der direkten Sonneneinstrahlung nicht in solch starkem Maß ausgesetzt war, betrug die Außentemperatur noch immer über hundert Grad Celsius. Erst nach Beginn des Terraforming-Programms, bei dem mehrere Konzerne Hand in Hand arbeiteten, war es überhaupt möglich gewesen, Stationen auf dem zweitsonnennächsten Planeten zu errichten. Dieses Terraforming-Programm packte das Übel für die widrigen Lebensbedingungen auf der Venus an der Wurzel: die kohlensäurereiche Atmosphäre. Durch den Abschuss von Spaltalgen, blaugrüner Cyanophyzeen, in die Venus-Atmosphäre wurde die Kohlensäure zerlegt; dabei entstand Sauerstoff, den spätere Kolonisten zum Atmen brauchten. Die Algen vermehrten sich ungeschlechtlich und sehr schnell. Unbemannte Transportraumschiffe beförderten sie in großen Mengen direkt in die Atmosphäre. Jahr um Jahr ging die Temperatur auf der Venusoberfläche zurück, doch es würden noch Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte vergehen, bis man daran denken konnte, die temperaturisolierten Forschungsstationen durch kostengünstigere Stadtkolonien zu ersetzen. Bis dahin blieb die Rohstoffausbeutung der Venus Zwangsarbeitern überlassen, die gegen ihre Konzernsverträge verstoßen hatten – und einigen wenigen hoch bezahlten Freiwilligen, denen die Erfüllung der von den Konzernen festgesetzten Ertragsquoten oblag.
Die Klimaanlage des Fahrzeugs kämpfte nun schon mühsamer gegen die hohe Außentemperatur an. Allmählich wurde jede Bewegung zur Qual. Der Schweiß rann Haiko in Strömen über Gesicht, Nacken und Schultern. Der interne Temperaturregler des Schutzanzuges setzte nicht ein; anscheinend war seine Kapazität so begrenzt, dass die Kühlaggregate erst ansprangen, sobald der Träger den Schlepper verlassen hatte.
Nur allzu gern hätte Haiko nachgeforscht, ob die Flibo-Mediziner seine überall auf der Haut versteckten Ausrüstungsgegenstände übersehen hatten, die Bomben und den Sender, doch der Raumanzug machte dieses Unterfangen unmöglich. Er musste sich eben in Geduld fassen.
Er konnte jedoch von dieser Annahme ausgehen. Ein gewöhnlicher Raumpirat trug keine hochmoderne Sabotageausrüstung am Leib versteckt. Hätten die Medo-Techniker etwas entdeckt, hätte Kommandant Sodor ihn zweifellos in Sicherheitsverwahrung genommen.
Die Landschaft wurde immer hügeliger, bis der Schlepper schließlich auf einem großen, von gedrungenen Bergen umsäumten Platz hielt. Er war nicht der einzige – an die hundert ähnlicher Fahrzeuge parkten dort verlassen in einem weiten Halbkreis.
Die Passagiere erhoben sich und Haiko schloss sich ihnen an. Nun konnte er erstmals die Piloten des Halbkettenfahrzeugs ausmachen.
Es handelte sich um zwei Frauen.
Die Fahrzeuginsassen klappten die Helme hinab und verließen den Schlepper im Gänsemarsch. Haiko schloss sich ihnen an. Nach wenigen Schritten über die glühende Venuslandschaft hatten sie den Eingang einer Mine erreicht. Bewaffnete Wachposten drückten ihnen Erzbrenner in die Hand; ein Funkimpulsgeber sorgte dafür, dass die Geräte nur im Innern der Mine und nicht etwa gegen die Wachen eingesetzt werden konnten.
Immer tiefer ging es hinab durch grob glasierte, enge Gänge. Haiko hielt sich bei seiner Gruppe, bis sie das Ende eines Querstollens erreicht hatten.
Plötzlich ruckte Energie durch seinen Brenner; das Gerät war funktionsbereit. Haiko schickte sich an, es den anderen gleich zu tun und Kobalterz aus dem Inneren der Venus zu schneiden. Dabei fragte er sich unablässig, wie er ohne weitere Informationen aus dem Gefangenenlager entkommen konnte, um seinen eigentlichen Auftrag zu erfüllen: Die Entführung von Professor Eberhard von Wylbert.
*
Eine Gestalt stapfte durch die dichten Erzpartikel, die sich überall im Stollen zu regelrechten Staubschwaden zusammenballten, auf ihn zu.
Haiko erkannte sie: Es war die Pilotin, die das Halbkettenfahrzeug gesteuert hatte, mit denen sie zu ihrem Einsatzbereich transportiert worden waren.
Seit Stunden arbeitete er unablässig mit dem Brenner. Die
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