004 - Geheimcode Alpha
Erzbrocken, die er aus dem Gestein heraus gelöst hatte, wurden über breite Förderbänder abtransportiert. Seine Arme schmerzten unter der Last des Geräts, sein Rücken, weil er zumeist gebückt da stehen musste.
Es war unerträglich heiß geworden; die Kühlautomatik des Schutzanzuges schien hoffnungslos überlastet.
Haiko fragte sich, wie lange die Arbeitsschicht noch dauern würde. Auch wenn Flibo sich nicht an den UNO-Konventionen störte, die die Behandlung von gefangenen Konzernspionen oder Raumpiraten regelte – der Konzern würde seine Zwangsarbeiter nicht sinnlos verheizen. Er musste ihnen einigermaßen menschliche Arbeitsbedingungen bieten, sollten sie ihm nicht dahin sterben wie Eintagsfliegen bei Anbruch der Abenddämmerung.
Die Frau nickte ihm zu. Durch die Helmscheibe konnte er ihr Gesicht nur undeutlich ausmachen.
Es schien jedoch hinreichend hübsch zu sein.
Kein Vergleich natürlich mit Cumbraith Jones , dachte er mit einem Anflug von Galgenhumor.
»Ich heiße Tessa«, vernahm er ihre Stimme leise über den Helmfunk. »Wenn du auch nur ein Wort über unser Gespräch verrätst«, fuhr sie übergangslos fort, »werde ich dich töten. Keiner würde sich daran stören, wenn du vor Erschöpfung einen Herzstillstand erleidest.«
Haiko schluckte. Ein seltsamer Willkommensgruß. Was wollte die Frau unter vier Augen mit ihm bereden?
»Wenn ihr fliehen wollt«, entgegnete er, »ich bin dabei.«
»Fliehen!« Tessa lachte kurz auf. »Die nächste Station liegt siebenhundert Meilen entfernt. Fortschritt Venus. Die Leute von Fortschritt sind humaner als Flibo: Sie verpflichten nur Freiwillige für einen Zeitraum von fünf Jahren. Danach werden sie zur Erde zurück gebracht und bekommen einen bequemen Verwaltungsposten. Sie haben ausgesorgt. Und ihre Überlebensrate liegt bei über neunzig Prozent. Fortschritt nimmt nur die besten Leute für die Venus-Ausbeutung.«
»Siebenhundert Meilen?«, echote Haiko.
»Wir würden mit einem Schlepper tagelang unterwegs sein«, fuhr die Frau fort. »Und so lange reicht unser Sauerstoffvorrat natürlich nicht. Wollten wir fliehen, müssten wir andere Schlepper überfallen und deren Sauerstoffvorräte rauben. Das hat ein Team mal versucht, vor zwei oder drei Jahren. Nur um festzustellen, dass die Schlepper ferngesteuert werden. Man hat die Besatzung einem Psychoverhör unterzogen und dann wieder an die Arbeit geschickt. Keiner hat länger als eine Woche überlebt.«
Haiko blickte die Frau unerschüttert an. Es musste eine Erklärung für ihr seltsames Verhalten, die ungewöhnliche Gesprächseröffnung geben. Wenn er nur lange genug wartete, würde sie sie ihm von allein verraten.
Vielleicht konnte er sie provozieren, um den Grund für dieses kleine Psychospiel schneller herauszufinden …?
»Wäre es nicht besser, bei einem Fluchtversuch zu sterben, als hier langsam dahin zu vegetieren?« Er durfte Flibos Transmitter-Station nicht erwähnen. Wenn die Frau ein Spitzel war, würde sie Kommandant Sodor von dem Gespräch berichten und spätestens dann war seine Tarnung als Raumpirat aufgeflogen. Aber andererseits – woher wollte die Frau wissen, dass er kein Spitzel war, den Flibo in die Gruppe eingeschleust hatte?
Er stellte ihr die Frage.
Selbst durch den Helm erkannte er, dass die Frau lächelte. »Du bist kein Spitzel«, erwiderte sie. »Ich weiß es. Die neuen Stollen können nicht abgehört werden; die Störgeräusche der Erzbrenner überlagern alle Funkimpulse. Wenn wir uns unterhalten, dann hier. Oder in dem Gemeinschaftsbad, das wir heute Abend aufsuchen. Alle anderen Räume werden elektronisch überwacht. Dort unterhalten wir uns wieder. Und jetzt …«, sie deutete auf den Erzbrenner, »… wieder an die Arbeit. Du musst dich gewaltig anstrengen, wenn unser Team durch dich nicht in ernsthafte Schwierigkeiten geraten soll, die vorgeschriebenen Quoten zu erreichen.«
*
»Ich weiß nicht«, sagte Bryan Holmes zögernd.
Ken Randall war ihm beinahe dankbar für seine Zurückhaltung. Nachdem sich keiner der Spezialisten einen Reim darauf machen konnte, was wirklich mit Tanya Genada geschehen war, wurden ihm die Versuche mit dem Transmitter allmählich zu riskant. Wer konnte garantieren, dass das nächste Opfer dieser Raum-Zeit-Verzerrung nicht aufgrund dieser Körperspaltung sterben würde – oder ganz andere, noch unbekannte, aber womöglich viel gefährlichere Phänomene auftraten? Solange die Wissenschaftler nicht wirklich wussten, was sie
Weitere Kostenlose Bücher