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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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worden. An einem 30. Mai. Jedes Jahr gedenken die Ludmar dieses Tages. Im Allgemeinen allerdings nur mit einem Blumenstrauß. Warum es diesmal so viele sind, weiß ich auch nicht.«
    Nach dem Mittagessen regnete es, und ich beschloss, dem alten Notar mal wieder einen Besuch abzustatten, der am Mittag übrigens nicht zum Essen erschienen war.
    Nichts rührte sich im Haus, als ich läutete. Das überraschte mich. Adam Small war so schwerhörig, das er ohnehin nichts hörte, aber sein altes Hausmädchen Elisabeth, das ihm fünfzig Jahre lang Pudding serviert hatte, den er nicht mochte, war immer noch da. Ich klingelte noch einmal und stieß dann die Tür auf. Sie war nicht verschlossen.
    Im Hintergrund der geräumigen Diele saß Elisabeth in einem Lehnsessel. Zuerst dachte ich, sie schliefe, aber als ich näher kam, sah ich, dass ihre Augen weit offen und starr waren. Ihre Stirn war eiskalt. Sie war tot.
    Diese Entdeckung war mir selbstverständlich sehr unangenehm, aber mehr auch nicht. Sie war immerhin sehr alt gewesen. Vermutlich war sie einem Herzschlag erlegen. Vielleicht hatte sie um Hilfe gerufen, war aber von ihrem Herrn nicht gehört worden.
    Ich stieg die Treppe hinauf, um den alten Notar zu benachrichtigen. Als ich jedoch sein Arbeitszimmer betrat, erwartete mich eine weitere Überraschung, sehr viel unangenehmer und eindrucksvoller als die erste. Adam Small hatte sich an einem Deckenbalken über seinem Schreibtisch erhängt. Sein runzliges Gesicht, normalerweise gelb, war jetzt grün. Seine Käuzchenaugen quollen aus ihren Höhlen. Auf dem Revers seines Jacketts war ein rundes Kärtchen befestigt, auf dem ich ganz deutlich das Emblem der Ludmars erkennen konnte.
    Ekel erfasste mich. Aber ich hielt mich nicht lange in diesem Schreckenshaus auf und lief zum Hotel zurück, um den Doktor zu holen.
    »Der verrückte alte Knabe hat sich erhängt?« wiederholte er. »Nun, das erstaunt mich nicht sonderlich. Also, sehen wir uns das mal an.«
    Vor dem Haus des Notars, dessen Tür ich offen gelassen hatte, standen bereits einige Neugierige. Der einzige Polizist des Städtchens, Sam Igglins, ein dicker, gutmütiger Mensch, der noch mehr trank als der Doktor, war bereits da. Adam Small wurde heruntergenommen, und der Doktor untersuchte ihn.
    »Keine Anzeichen für Gewaltanwendung von fremder Hand«, erklärte er. »Der Tod muss etwa um vier oder fünf Uhr morgens eingetreten sein. Es ist kaum ein Zweifel möglich. Es handelt sich um Selbstmord. Dort auf dem Boden liegt übrigens der Stuhl, auf den er gestiegen sein muss.«
    Danach untersuchte er die alte Dienerin. »Sie ist später gestorben, etwa gegen sieben Uhr morgens. Keine Spuren von Gewaltanwendung. Wahrscheinlich hat sie ihren Herrn entdeckt, ist entsetzt davongelaufen, in diesen Sessel gesunken und hat einen Herzschlag bekommen. Kein Wunder bei dem Schock!«
    »Ja, so ist es bestimmt gewesen«, sagte Sam Igglins und nickte.
    Die Erklärung war durchaus glaubhaft, aber mir war trotzdem nicht wohl dabei zumute. Vielleicht kam es ganz einfach daher, weil ich, obwohl Autor schrecklicher und phantastischer Geschichten, noch nie persönlich mit Dramen und echten Leichen zu tun gehabt hatte.
    Als ich das Haus verließ, hörte ich jemanden in einem kleinen Grüppchen neben der Tür flüstern: »Es fängt an … es fängt wieder an …«
    Was fing wieder an? Was meinte der Mann damit?
    Die Nachricht von dem doppelten Todesfall verbreitete sich in Windeseile und rief allgemeine Bestürzung hervor. Man sah wesentlich mehr Menschen auf den Strassen als sonst, und ihre Gesichter zeigten Besorgnis und Angst. Ich bemerkte die drei hinkenden Frauen. Sie gingen schnell und schwankten durch ihr Hinken grotesk hin und her. Sie glichen drei schwarzen Krähen, die verschreckt flüchteten. Ich begegnete auch John Ibbits. Auf seinem Gesicht lag ein geheimnisvolles Lächeln.
    Ich hatte ganz plötzlich das Bedürfnis fort zu gehen, sosehr bedrückte mich das alles. Aber anstatt zum Plateau hinaufzusteigen, verließ ich Guilclan durch das Tor der Strasse nach New Guilclan. Wahrscheinlich hatte ich unbewusst das Verlangen nach einer normalen, unbeschwerten Umgebung.
    Kaum außerhalb der Mauern, sah ich Betty, die zu Fuß den schmalen Abkürzungsweg von Roaldmor nach Guilclan kam. Sie trug wie ich einen Regenmantel. Es regnete immer noch ein wenig, aber die Wolken schienen sich nach Osten zu verziehen.
    Mein Herz machte einen Sprung, als sie stehen blieb und mir die Hand reichte. »Ich

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