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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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schwarzen Augen. Er war allein schon deshalb unverwechselbar, weil er als einziger in Guilclan lange Haare trug, wie eine Frau – pechrabenschwarze Haare. Er sah wirklich wie ein Hexenmeister aus. Er war also ein Ludmar …
    »John Ibbits und Donoulos sind natürlich auch von der Familie der Ludmar.«
    »Und Mrs. Gull?« fragte ich neugierig.
    »Natürlich auch! Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass sie einmal eine bildhübsche Brünette war? Aber sie hat ein gutes Herz, und wenn sie auch an alle diese Geschichten glaubt, so wünscht sie doch niemandem etwas Böses. Ihr Hotel ist der einzige Ort in Guilclan, an dem sich beide Gruppen begegnen – aber jede hat ihre Tische für sich.«
    »Und Sally?«
    »Sie ist eine Salforth.«
    »Und der Notar? Er ist so alt und hat keine Haare mehr, das man es nicht mehr sehen kann.«
    »Er ist ein Salforth, ebenso wie Peter Gilcross.«
    »Und die kleine Hexe Mira Brown ist natürlich eine Ludmar, nicht wahr?« Ich hatte das hübsche junge Ding ein paarmal auf meinen Spaziergängen von weitem gesehen. Sie schien sehr scheu zu sein und war bei meinem Anblick immer rasch davongelaufen. »Selbstverständlich.«
    »Und der Dichter Herold Gruen?«
    »Weder, noch. Er ist erst vor fünf oder sechs Jahren mit seiner alten Gouvernante hierher gezogen, als seine Eltern starben.«
    »Und Sie, lieber Doktor?«
    Er lachte herzlich. »Oh, ich? Ich bin ein einmaliger Sonderfall. Der Nachkomme einer Mischehe. Das ist Anfang des letzten Jahrhunderts passiert. Eine Romeo und – Julia- Geschichte. Aber sie sind nicht gestorben und hatten sogar ein Kind miteinander. Seitdem neigt man in meiner Familie dazu, gewisse Dinge mit Skepsis zu betrachten.«
    »Und wie macht sich dieser Hass heute in der Praxis bemerkbar?«
    »Oh, nicht allzu krass, glücklicherweise. Man ignoriert sich, von Zeit zu Zeit kommen ein paar Gemeinheiten vor. Eine vergiftete Katze … Jemand stolpert über eine gespannte Schnur und bricht sich den Arm … Schafe, die plötzlich eingehen, ohne das man weiß, warum … Streitereien und Schlägereien – und die allgemeine Angst vor dem Heideland von Ludmar. Wenn diese Verwünschungen tatsächlich wirkten, wäre schon längst eine der Gruppen ausgelöscht und die andere übel dran. Das Schlimmste, was bisher passiert ist, war die Sache mit Sally – und die ist, wie gesagt, nie richtig aufgeklärt worden. Hier spielt sich alles nur in den Köpfen oder hinter zugezogenen Vorhängen ab. Ich habe nie das Verlangen gehabt, meine Nase da ’reinzustecken … Jedenfalls hat es seit zweihundert Jahren nichts Ernstes gegeben. Vor zweihundert Jahren allerdings fand ein schreckliches Massaker statt. Die Menschen sind so dumm! Seit einiger Zeit ist mir unter den Leuten allerdings eine wachsende Nervosität aufgefallen, und ich frage mich, was diese Idioten nun wieder ausbrüten. Aber mir erzählt auch kein Mensch etwas, genauso wenig wie Ihnen. Nicht einmal meine sanftmütige Leila. Nur gut, dass es den Whisky gibt!«
    Als ich an diesem Abend zu Bett ging, fand ich auf meinem Schreibblock eine zweite Warnung von Sally vor: Reisen Sie ab! Es wird gefährlich für Sie, wenn Sie länger bleiben. Folgen Sie meinem freundschaftlichen Rat.
     

     
    Es war am folgenden Tag, dem 30. Mai, als alles begann.
    Die Sonne schien, als ich aufstand. Vergeblich versuchte ich von Sally zu erfahren, weshalb sie mich erneut gewarnt hatte. Sie begnügte sich damit, zu grunzen. Im Speisesaal traf ich den Doktor an, ausgeschlafen, guter Laune und gerade dabei, eine Portion Schinken und Ei zu verzehren. Ich erzählte ihm von den Warnungen, die ich erhalten hatte. Er lächelte milde.
    »Machen Sie sich nichts draus«, meinte er. »Seit undenklichen Zeiten haben die Menschen hier Angst vor Fremden. Vielleicht ist es auch, weil Sie versuchen, in ihre kleinen Geheimnisse einzudringen, und das beunruhigt sie. Jedenfalls haben sie mehr Angst vor Ihnen, als Sie je vor ihnen haben könnten.«
    Diese Erklärung erschien mir durchaus glaubhaft. Es war auch Arnold, der mir beim Mittagessen später die Erklärung für die hübschen Blumensträuße gab, die ich auf meinem Morgenspaziergang auf dem Fliesenboden der offenen Halle auf dem Platz vor dem Hotel bemerkt hatte. Mrs. Gull hatte mir darüber keine nähere Auskunft geben wollen und recht abwesend gewirkt, als ich sie danach fragte.
    »Ein alter Brauch«, sagte der Doktor. »Auf diesem Platz, so sagt die Legende, ist Moro Ludmar, von dem ich Ihnen erzählt habe, hingerichtet

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