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004 - Kerry kauft London

004 - Kerry kauft London

Titel: 004 - Kerry kauft London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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machen würde. Casman, ihr Rechtsbeistand, war zu diesem Zweck nach Holloway gerufen worden. Hermanns Gemütsverfassung würde einem Durchschnittspsychologen ein Rätsel aufgegeben haben; denn jetzt fühlte er keinen Zorn mehr auf seine Schwester. Er wollte ihr Geld haben, und er hatte trotz allem die Hoffnung, es doch noch zu bekommen, nicht aufgegeben. Aber er mußte viel schlauer zu Werke gehen. Aus diesem Grund hatte er an dem Abend, an dem Vera ihre sonderbare Tat beging, Martin Hubbard eingeladen.
    »Bolscombe ist ein Narr« - Hermann hatte die Angewohnheit, Selbstgespräche zu führen und sich ohne Hilfe eines Dieners anzukleiden -, »daß er die Zeitung an dieses Schwein verkauft hat!«
    »Dieses Schwein« war King Kerry, den dieser seltsame Mensch mit der ganzen Glut eines unerbittlichen Hasses verfolgte. Hermann hätte zu gerne gewußt, wozu King Kerry dieses Spielzeug gebrauchen wollte; es war jedenfalls eine Waffe, die leicht benutzt werden konnte, Hermann zu quälen. Es wäre nicht das erstemal gewesen, daß der »König von London« Zeitungen kaufte, um ihm das Leben schwererzumachen. Er war eben mit dem Ankleiden fertig, als leise an der Tür geklopft wurde.
    »Ein Mann wünscht Sie zu sprechen«, sagte der Diener, der auf Hermanns Befehl eingetreten war.
    »Wie sieht er aus?«
    Der Diener wußte nicht recht, wie er den Besucher beschreiben sollte.
    »Ärmlich … ein Ausländer.«
    Ärmlich und ein Ausländer? Hermann konnte den Mann nicht unterbringen.
    »Lassen Sie ihn heraufkommen!«
    »Hierher?«
    »Hierher«, sagte Hermann unwirsch. »Wo sollte ich ihn sonst empfangen?«
    Der Diener war an solche grundlosen Ausbrüche gewöhnt und machte sich nichts daraus. Er verließ das Zimmer und kam mit einem kleinen, ziemlich blassen Menschen wieder, der einen struppigen, unregelmäßigen Bart hatte, auch in so abgerissenen Kleidern steckte und ein so auffallendes Wesen zur Schau trug, daß die Bezeichnung »ärmlich« und »Ausländer« durchaus am Platz waren.
    »Ah, Sie sind es«, sagte Hermann kalt. »Setzen Sie sich! Sie brauchen nicht zu warten, Martin!«
    »Nun«, fragte er, als sie allein waren, »was wollen Sie?« Er sprach französisch, und der kleine Mann streckte seine Hände bittend in die Höhe.
    »Was denn sonst als Geld, mon Dieux? Ah, Geld ist ein furchtbares Ding, aber notwendig!«
    Hermann öffnete bedächtig ein goldenes Zigarettenetui und wählte eine Zigarette, bevor er antwortete: »Warum müssen Sie gerade zu mir kommen?« Das Männchen zuckte mit den Schultern und sah nach der Decke, als erwarte es von dort eine Eingebung. Es war ein übel aussehender Mensch mit stumpfer, platter Nase und kleinen, zwinkernden Augen, die weit auseinanderstanden. Seine Haut war mit Pusteln bedeckt und von kränklicher Farbe; seine Hände waren groß und rot.
    »Sie waren einmal gegen uns großmütig, mon aviateur! Ah, die Großmut! - Aber es war« - er blickte sich um -»für einen Mord!« flüsterte er in dramatischem Ton.
    »Wollen Sie damit sagen, daß ich Sie zum Mord an der jungen Frau, die man in der Smith Street tot aufgefunden hat, angestiftet habe?« fragte Zeberlieff kalt. »Sie hatten den Auftrag, nicht zu töten.«
    Der Mann zuckte wieder mit den Schultern.
    »Sie war betrunken - wir glaubten, sie sei dickköpfig. Wie sollten wir das wissen? Joseph gab ihr einen Extradruck und - viola! Tot war sie.«
    Hermann musterte ihn, wie ein Naturforscher einen neuen, seltsamen Käfer betrachten würde.
    »Nehmen wir an, ich sage, daß ich Ihnen nichts geben will.« Die großen, roten Hände wurden wie im Schmerz ausgestreckt.
    »Das würde unangenehm sein - für Sie, für mich, für alle!«
    Er stand jetzt in Armeslänge von Hermann entfernt.
    »Sie sind sehr stark, mein Lieber?« fragte Zeberlieff.
    »Man hält mich dafür«, erwiderte der andere selbstbewußt.
    »Achtung!« rief Hermann, und seine kleine weiße Hand fuhr dem Besucher an die Gurgel. Der Kleine wehrte sich, aber er war in den Händen eines Mannes, dessen Lehrmeister Le Cinq gewesen war, und Le Cinq war der größte Würger seiner Zeit. Die Finger legten sich fest um die Kehle des anderen, geübte Finger wie aus Stahl, die die Halsschlagader und die Luftröhre gleichzeitig zusammenpreßten. Schlaff sank der Mann zu Boden, und erst dann ließ der eiserne Griff nach.
    »Stehen Sie auf«, sagte Hermann und lachte grimmig.
    Der Mann erhob sich taumelnd, Furcht in den Augen, das Gesicht blau und aufgedunsen.
    »Mon Dieu«, keuchte

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