004 - Kerry kauft London
Geschäftsführer scheint ziemlich begabt zu sein. Ich sagte ihnen, daß Sie keine sofortige Änderung beabsichtigten.«
»Ebenfalls richtig«, sagte Kerry herzlich. »Ein neuer Mann ist nicht immer der bessere, der alte ist nicht notwendig ein Narr. Man wechsle niemals, bloß um zu wechseln - höchstens die Kleidung.«
Er stand in Nachdenken versunken an seinem Schreibtisch.
»Dies verdient mehr als gewöhnliche Anerkennung. Unseren ersten gemeinsamen Sieg über den Feind können wir nur mit einem Essen feiern.«
Sie schaute ihn lachend und vollkommen glücklich an. Daß sie den »grauen Mann«, wie sie ihn in Gedanken nannte, zufriedengestellt hatte, war ihr genug.
Sie hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden zwei hübsche Männer gesehen … Aber es waren ganz andere Typen gewesen als King Kerry mit seiner gesunden Hautfarbe, den lachenden Augen und dem festen Kinn -und die anderen hatten bestimmt nicht das graueste Haar, das sie je an einem jungen Mann gesehen hatte!
»Festessen um acht Uhr im Schweizerhof. Und wenn Sie glauben, nicht ohne Anstandsdame kommen zu können, bringen Sie wenigstens eine recht hübsche mit.«
Sie lächelte: »Ich wüßte keine, die hübsch genug wäre, deshalb müssen Sie schon mit mir vorliebnehmen.«
Eine ganze Tagesarbeit lag vor ihr, und sie machte sich mit einem Eifer ans Werk, den die Aussicht auf eine Abendunterhaltung nur noch steigerte. Plötzlich hielt sie inne.
»Ich weiß jetzt…«
Er blickte auf. »Was denn?«
»Den Namen des anderen Herrn … ich meine«, unterbrach sie hastig, »des Herrn, der mit Herrn Bolscombe zu mir in die Wohnung kam. Er heißt Martin Hubbard.«
»Oh«, machte er zweideutig, »die Schönheit!«
»Wird er so genannt? Ich kann es schon verstehen. Er sieht sehr gut aus, aber …« Sie zögerte.
»Es gibt viele › Aber ‹ in bezug auf Martin«, unterbrach Kerry sie ruhig, »ich lernte ihn in New York kennen. Er ist einer von den Dollarmitgiftjägern.«
Er sah in Nachdenken versunken starr auf die gegenüberliegende Wand.
»Ein Mann, der des Geldes wegen heiratet, ist wie ein Hund, der wegen eines Knochens auf einen Turm klettert; er bekommt seine Mahlzeit, aber er findet kein gemütliches Plätzchen, wo er sie in Ruhe verdauen kann.«
Kerry erwähnte Martin nicht mehr und arbeitete den ganzen Tag; er entwarf eine Anzeige, die den ganzen Tuchhandel in seinen Grundfesten erschüttern sollte.
Kapitel 16
»Wenn ein Mensch ohne tiefes sittliches Empfinden, ohne Sinn für das, was er seinem Gewissen, seinem Stolz, seiner menschlichen Natur schuldig ist, seinen Herzenswunsch durchkreuzt sieht, richtet sich sein Sinn natürlicherweise auf Mord. Der Mord ist in der Tat ein Naturtrieb des Mannes, wie die Mutterschaft ein Naturtrieb des Weibes ist. Vieltausendjährige Kultur hat einen höheren Trieb ins Leben gerufen, der Selbstbeherrschung heißt. Die wilden Gewässer des Willens sind durch künstliche Kanäle abgeleitet worden, und wehe dem Flutstrom, der über das Ufer tritt und in sein natürliches Bett fließen will.«
Diese Sätze schrieb Hermann Zeberlieff zwei Tage nach der Verurteilung seiner Schwester in sein Tagebuch. Sie enthüllten seine Philosophie und waren eine der interessantesten Stellen seiner Weltanschauung, auf jeden Fall eine der zusammenhängendsten Aufzeichnungen seines Tagebuches, das bei einer späteren Gelegenheit, bei der Hermann Zeberlieff unvermeidlicherweise nicht zugegen sein konnte, öffentlich verlesen wurde.
Seine erbittertsten Feinde werden diesem Menschen eine gewisse literarische Befähigung nicht absprechen oder die Charakteristik bekritteln, die der Anthropologe Simnitzberg in seinem Werk Unmoralische Phantasten von ihm gegeben hat.
Hermann beendete die Eintragung und legte das Buch auf seinen Platz. Spöttisch blickte er auf das Häufchen Briefe, die er beantwortet hatte. Jeder, der ihn kannte, hatte ihm anläßlich der Tat seiner Schwester freundlich, nachsichtig oder launig geschrieben. Sie ahnten ja nicht, was diese Laune seiner Schwester ihn gekostet hatte. Es hätte ihn noch teurer zu stehen kommen können, wenn -sie nicht weggegangen wäre. Aber daran wollte er gar nicht erst denken.
Er ging in sein Zimmer, um sich anzukleiden. Sosehr er sich auch durch die Tat seiner Schwester in seinen Plänen behindert sah, so fühlte er sich doch gewissermaßen erleichtert, daß die Notwendigkeit, sie zu beseitigen, nicht mehr bestand. Er zweifelte nicht daran, daß sie im Gefängnis ein Testament
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