0041 - Die Treppe ins Nichts
war.
In der Taverne fuhr der Wirt – er war noch jung – hinter seiner Sportzeitung hoch. Aufgeregt strich er seine Haare glatt, um bei der Schönheit, die so plötzlich hereingekommen war, Eindruck zu machen. Doch Nicole achtete nicht auf ihn. Sie studierte die Tafel, an der das Getränkeangebot aufgezeichnet war und entschied sich für einen fruchtigen Bergtraminer.
»Aber eiskalt«, fügte sie bei ihrer Bestellung hinzu.
Zamorra trank eine Tasse Café nero. Ein schwarzes, höllisch heißes Getränk.
Der junge Wirt erklärte ihnen genau, wo sie das Esplanada finden würden. Es war nicht weit. Sie verabschiedeten sich schnell, und Zamorra befürchtete schon, dass er am Abend die gesamte potente jüngere und reifere Jugend von Ainsa vor dem Hotel verjagen müsste.
Nicoles Ankunft würde sich mit Windeseile herumsprechen.
Gegen halb zwei speisten sie vortrefflich zu Mittag. Zamorra, der sich ansonsten exzellenter Gaumenfreuden nicht versagte, hatte sich diesmal für eine Paella, das spanische Nationalgericht, entschieden.
Es schmeckte zwar deftig, doch es war köstlich in seiner Herbheit. In den körnig gekochten safrangelben Reis waren Fische aus den Bergbächen gebacken worden. Zusammen mit den Salaten ergab das ein wunderbares Mahl. Die Müdigkeit vertrieb ein doppelter Brandy.
Dann war Zamorra bereit, wieder etwas zu unternehmen. Ein Diener hatte ihr Gepäck bereits auf ihr Zimmer gebracht.
Zamorra wusste, wo Piere Laguère und seine Töchter abgestiegen waren. Die kleine Pension lag am Rand der Ortschaft, fast schon unten im Tal. Sie nannte sich Casa Pyrenäa und war auch innen so blitzsauber wie von außen. Nur die Frau, die im Hof stand, wollte nicht so recht in dieses ruhige Bild passen.
Sie war mager. Spitz stand ihre Nase hervor. Das grau werdende Haar stand strähnig um die Ohren.
Als Zamorra und Nicole ankamen, schimpfte sie gerade auf ein braunhäutiges Kind ein, das noch nicht das Schulalter erreicht hatte.
Sie tauchte hoch, als sie die Fremden in ihren feinen Kleidern sah.
Sofort nahm ihr Gesicht einen Ausdruck an, den sie wohl für freundlich hielt.
»Ein Zimmer, Señores?«, fragte sie. »Ich habe die besten Zimmer hier in der Stadt.«
Zamorra lehnte dankend ab. »Gracias, Señora, aber ich suche kein Zimmer.«
Die kleinen Augen der Frau wurden sofort wieder misstrauisch.
»Was wünschen Sie dann?«
»Ich möchte mich nach Piere Laguère erkundigen. Er ist ein Freund von mir. Er wohnte doch bei Ihnen.«
Das Gesicht der Frau wurde verschlossen. Fast feindselig starrte sie Zamorra und seine Begleiterin an. »Dieses Franzosenpack«, sagte sie. »Einfach auf und davon zu laufen. Nicht einmal die Rechnung haben sie bezahlt. Und die Kleidung, die sie hatten! Ich sage Ihnen, da war nichts zu gebrauchen. Alles alte Fetzen.«
Zamorra gab seiner ersten Regung nicht nach, die darin bestanden hätte, die Frau einfach stehen und weiterkeifen zu lassen. Wenn er schon einmal hier war, dann wollte er auch sprechen. Er zückte seine Brieftasche und als würde die Frau auf Knopfdruck reagieren, machten ihre Züge wiederum eine wundersame Wandlung durch.
Aus Abweisung wurde staunende Neugierde und schließlich helle Freude. Wenn sie lachte, konnte sie auf ihre Art sogar hübsch aussehen.
»Ich hoffe, das reicht«, sagte Zamorra, und reichte ihr einen größeren Schein hinüber.
»Si, si, Señor. Das ist genau die Summe.«
Spätestens jetzt wusste Zamorra, dass er der Frau viel zu viel angeboten hatte. Doch er ließ es dabei bewenden.
»Monsieur Laguère ist ja nun leider verschwunden«, sagte er.
»Könnten Sie mir deshalb ein paar Fragen beantworten?«
»Wenn Sie mich nicht zu lange aufhalten. Sie sehen, ich habe zu tun.«
»Ich werde nicht lange brauchen. Eigentlich wollte ich nur sehen, wie er hier gelebt hat. Er war sicher sehr gut bei Ihnen aufgehoben.«
»Si«, strahlte die Frau. »Er war ganz begeistert vom Casa Pyrenäa. Und er wollte es all seinen Freunden weiterempfehlen. Brauchen Sie wirklich kein Zimmer, Señor? Ich vermiete auch für einen Nachmittag«, und dabei schaute sie Nicole an.
»Non, Señora. Bemühen Sie sich nicht. Wir sind nur auf der Durchreise. Die Polizei war bereits bei Ihnen?«
»Ja, sie haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Ich glaube gar, die haben gemeint, ich hätte die Franzosen beiseite geräumt. Aber ich sage Ihnen: Reichtümer waren bei denen nicht zu holen. Diese Wäsche…«
»Hat Monsieur Laguère an jenem Nachmittag, an dem er verschwunden
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