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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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beiden Männer verließen endgültig den schützenden Schatten der Höhle, überquerten den mit dickem, federndem Moos bewachsenen Platz vor dem Eingang und betraten eine Welt, die noch keines lebenden Menschen Auge je gesehen hatte.
    ***
    Für Nicole Duval war die Welt versunken.
    Nichts existierte mehr. Nichts außer jenem weißbärtigen Fremden, außer zwei glitzernden Augen – und einer Stimme, die halblaut Befehle gab.
    »Komm«, sagte die Stimme. »Komm, meine Sklavin! Ich will dir etwas zeigen. Du sollst sehen, wie groß meine Macht ist…«
    Nicole folgte ihm.
    Langsam, wie eine Marionette ging sie hinter ihm her durch die Finsternis der Höhle. Ein seltsamer Schimmer schien ihn zu umgeben, eine Aura weißgrauen Lichts, das den dunklen Gang erhellte.
    Nicole wusste nicht, woher dieses Licht kam, und sie machte sich auch keine Gedanken darüber. Getrieben von einem rätselhaften Zwang setzte sie einen Fuß vor den anderen, ohne zu stolpern, ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, und sie blieb erst stehen, als der Alte am Rand des unheimlichen Kraters verharrte.
    Nicole blickte ohne Angst in den brodelnden Lavasee hinab – sie war überhaupt keiner Gefühlsregung mehr fähig. Die Augen des Alten gleißten. Langsam hob er den Stab empor, malte ein magisches Zeichen in die Luft, berührte dreimal hintereinander den Felsen zu seinen Füßen. Nicole starrte immer noch in den Krater hinunter – und vor ihren Augen begann sich die glühende Lava auf gespenstische Weise zu verwandeln.
    Die brodelnde Oberfläche glättete sich.
    Mehr und mehr erlosch die Glut, verblasste der feurige Widerschein.
    Einen Moment lang wirkte der See wie eine kreisrunde Ebene aus grauer Asche, dann glänzte er auf, begann zu schimmern wie Quecksilber – und wurde wieder zu dem, was er in Wahrheit immer gewesen war.
    Ein Spiegel…
    Einer jener Spiegel, hinter deren trügerischen Bildern sich Geheimnisse verbergen, jener Spiegel, die der Eingeweihte durchschreiten kann und die ihn eintreten lassen in eine andere, fremde Welt, in der die Naturgesetze keine Gültigkeit mehr haben. Die Felsen wurden zurückgeworfen, die Gestalten von Nicole und dem weißbärtigen Alten, die rätselhafte Aura, die beide umgab. Aus weiten Augen sah Nicole hinunter. Immer noch umfing sie der seltsame Bann. Aber tief in ihrem Innern zitterte wie eine halb bewusste Ahnung das Gefühl, dass es mit dem Spiegel eine besondere Bewandtnis hatte, dass er irgend etwas verbarg, das ihrem Gedächtnis entfallen war, an das sie sich unbedingt erinnern musste, und ein jäher, starker Sog erfasste sie und schien sie dem Bann entreißen zu wollen.
    »Sieh hin!«, rief der Alte. Und der Sog verebbte, kaum dass sie die dunkle, beschwörende Stimme hörte. »Sieh hin! Sieh meine Macht! Sieh dir an, wohin ich deine Freunde verbannt habe…«
    Nicole erbebte unter den Worten. Wie gebannt starrte sie auf die Quecksilberfläche – und sah, wie ihr eigenes Spiegelbild verblasste und neuen, anderen Bildern Platz machte. Bildern aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt! Da war ein grünes Tal, da war Wald, Wiese, ein schimmernder Teich. Undeutlich konnte die junge Frau einen hochragenden Felsblock erkennen, zwei verschwommene Flecken, die sich davor bewegten. Das Bild wurde schärfer, als drehe jemand am Okular eines Fernglases – und Nicole hielt den Atem an wie von einem plötzlichen Schlag getroffen.
    Zamorra!
    Er war da, war jenseits des dämonischen Spiegels, bewegte sich in einer Landschaft, die es eigentlich nicht geben konnte. Geschickt wie eine Katze kletterte er an dem schroffen, zerklüfteten Felsen empor.
    Bill Fleming stand schräg unter ihm, tastete mit der Rechten nach einem Halt, um sich emporzuziehen. Er sagte etwas. Nicole sah sein Gesicht, das weiß und gespannt war, sah die Lippenbewegungen – aber sie konnte die Worte nicht verstehen.
    Der seltsame Sog verstärkte sich.
    Er packte sie, zerrte an ihr, erzeugte die ersten Risse in dem Panzer der Erstarrung, der ihr Bewusstsein umgab. Sie wusste wieder, dass da unten kein seelenloses Schauspiel abrollte, kein Film mit seinen blassen, bedeutungslosen Projektionen. Es waren ihre Freunde, die sich dort in einer anderen Welt bewegten – jenseits der Zeitschranke, deren Existenz Nicole jetzt als selbstverständlich betrachtete, ohne dass sie zu sagen gewusst hätte, woher diese Erkenntnis stammte. Bill Fleming und Zamorra lebten. Sie befanden sich in einer anderen Dimension – aber sie lebten! Nicole empfand

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