0043 - Der Vampir von Manhattan
das laute Brausen und die Stimmen. Zunächst hatte er sich verkrochen, doch jetzt wagte er sich vor, mit einem Knüppel bewaffnet.
Entschlossen stieß er die Feuerschutztür zum Heizungskeller auf. Er sah fahles, unnatürliches Licht. Nebel wölkte vor seinen Augen. Aus diesem Nebel schälten sich die Konturen eines hochgewachsenen, altertümlich gekleideten Mannes und die einer schwarzhaarigen, dämonisch schönen Frau mit tiefausgeschnittenem roten Kleid.
Glühende Augen fixierten ihn. Die Schwarzhaarige öffnete die Lippen, dolchspitze Eckzähne bleckten.
Der Neger wurde vor Schrecken aschgrau. Ihm war, als würde er mit dem ganzen Körper in Eiswasser getaucht, wie gelähmt stand er da. Und vor seinen entsetzten Augen wurde der Mann zu einer großen Fledermaus mit spitzen Zähnen.
Da wich die Lähmung von dem Neger. Herumwirbeln und wegrennen war eines. Doch noch bevor die Feuerschutztür ins Schloß fiel, war die Fledermaus da. Die Tür flog auf, wie von einer unsichtbaren Gewalt getroffen. Schnell und lautlos verfolgte der Vampir den Flüchtenden.
Er holte ihn auf der Kellertreppe ein. Spitze Krallen bohrten sich in den Rücken des Schwarzen. Eine schwere Last riß ihn von den Füßen, sein Sträuben half ihm nicht gegen die dämonischen Kräfte.
Ein letztes Mal schrie der Neger. Dann verstummte er, und der Vampir, der wieder menschliche Gestalt angenommen hatte, lag halb über ihm.
***
Um 17.30 Uhr Ortszeit stiegen wir auf dem John F. Kennedy Airport in New York aus der Concorde. In zweieinhalb Stunden hatte der Überschallvogel uns über den Atlantik katapultiert. Wir, das waren Suko, mein chinesischer Freund und Kampfgefährte, und ich, John Sinclair.
Suko, ein Hüne von einem Mann und ein Kraftpaket, konnte selbst dem Frankenstein-Monster das Fürchten beibringen, wenn er grimmig dreinschaute. Er war Karatekämpfer und vermochte mit den Handkanten Tischecken abzuschlagen und andere Scherze vorzuführen.
Doch in Wirklichkeit tat er nicht mal einer Fliege etwas zuleide, so gutmütig war er. Nur wenn er zu sehr gereizt wurde, wurde er zu einem fürchterlichen Gegner.
Zunächst marschierten wir mit den übrigen Passagieren durch einen sehr langen Gang. Meinen Einsatzkoffer mit dem geweihten silbernen Dolch, der bolzenverschießenden Pistole, die ich gegen Vampire einsetzte, und anderen Spezialitäten trug ich als Handgepäck bei mir. Auch Suko schleppte einen Handkoffer.
Ein dringender Hilferuf Linda Maitlands, der Freundin von Frank Harper, hatte uns nach New York City gerufen. Linda hatte meinen Namen und die Adresse meiner Dienststelle von Laurie Ball erhalten, die zu ihrem Bekanntenkreis gehörte.
Ich hatte Laurie bei meinem letzten Abenteuer in New York kennengelernt. Damals hatte der Spuk, der berüchtigte Herrscher im Reich der Schatten, das Horror-Taxi eingesetzt, um mir den Garaus zu machen. [1]
Die mit Silberkugeln geladene Beretta-Pistole steckte in meiner Schulterhalfter. Als Scotland-Yard-Beamter hatte ich bewaffnet an Bord des Flugzeugs gehen dürfen. Ein mit hieroglyphenartigen Zeichen versehenes silbernes Kreuz und eine gnostische Gemme mit einem Abraxas trug ich unterm Hemd um den Hals.
Das war meine Ausrüstung für den Kampf gegen die Dämonen und Mächte der Finsternis.
Als wir die große Halle betraten, sah ich Laurie Ball hinter den Schaltern der Beamten von der Einwanderungsbehörde stehen. Sie winkte mir aufgeregt zu, ich hob die Rechte.
Laurie war ein burschikoser Typ mit einem sommersprossigen Gesicht und kurzgeschnittenem blondem Haar. Keine große Schönheit, aber ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen konnte.
Während ich noch die Einreiseerklärung ausfüllte, drängte Laurie sich bereits an die Beamten heran.
»Das ist mein alter Freund John Sinclair aus Merry Old England«, sagte sie. »Er gefährdet die Sicherheit der Vereinigten Staaten bestimmt nicht, im Gegenteil. In New York würde es schlimm aussehen, wenn er nicht gewesen wäre.«
Die Beamten drückten uns die Stempel in die Pässe und ließen uns anstandslos passieren. Laurie küßte mich auf die Wange, dazu mußte sie auf die Zehenspitzen hoch.
»John, du treulose Tomate, warum hast du solange nichts von dir hören lassen? Fein, daß du da bist.«
Ich stelle Suko vor. Mit seinem blauen Anzug, dem besten Stück seiner Garderobe, sah er wie verkleidet aus. Das spärliche schwarze Haar hatte er sorgfältig pomadisiert und gescheitelt.
Er verbeugte sich knapp vor Laurie.
»Keine Angst, Miß, ich
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