Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0043 - Der Vampir von Manhattan

0043 - Der Vampir von Manhattan

Titel: 0043 - Der Vampir von Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
Vom Netzwerk:
doch bemerkt.
    »Wir können nicht klagen«, antwortete ich. »Und was macht der New Yorker Schuldenberg?«
    New York City ist die höchstverschuldete Stadt der USA.
    »Well, der wächst munter weiter«, meinte der Fahrer. »Stört es Sie, wenn ich das Radio einschalte?«
    »Durchaus nicht.«
    Der Hit »Rivers of Babylon« dudelte uns ins Ohr. Das hätten die alten Hebräer sich in der Babylonischen Gefangenschaft auch nicht träumen lassen, daß sie Jahrtausende später noch mal in die Hitparade kämen. Der Chauffeur fuhr quer durch Brooklyn und über die Queensboro Bridge hinüber nach Manhattan. Zur Linken ragte am Ufer des East River das UNO-Hochhaus auf, und im Hintergrund standen unübersehbar die Doppeltürme des World Trade Centers, die das Empire State Building noch überragten.
    Das Wetter war recht schön. Mitte Oktober gab es in New York diesmal noch ein paar sonnige Tage. Die Sonne war schon vor mehr als einer Stunde untergegangen, und die Dämmerung brach ein. Unwillkürlich dachte ich daran, daß mit dem Sonnenuntergang die Zeit der Vampire begann.
    Sobald die Sonne versunken war, wollte ein Vampir seinen Sarg verlassen, in dem er tagsüber ruhte. Und bei Sonnenaufgang mußte er längst wieder zu seinem Zufluchtsort zurückgekehrt sein.
    So war es zumindestens bei den echten Vampiren. Es gab noch andere Blutsauger dämonischer Art mit Vampirzähnen, für die diese klassischen Regeln nicht galten. Der echte Vampir ruhte tagsüber in einem Sarg, Sonnenlicht war tödlich für ihn. Er hatte kein Spiegelbild und vermochte fließendes Wasser nicht aus eigener Kraft zu überqueren.
    Er konnte sich in eine Fledermaus verwandeln, und er vermochte als ein Nebel durch ein Schlüsselloch oder einen winzigen Ritz in einen verschlossenen Raum einzudringen. Ein Kreuz, das Zeichen des Guten seit den Anfängen der Menschheit, trieb ihn zurück, und Knoblauch mochte er nicht.
    Sein Blick war hypnotisch und bezwingend, seine Kraft übermenschlich. Während der Zeit seiner Aktivität konnte man ihn kaum bezwingen. Ich überlegte mir, mit welcher Sorte Vampir wir es in New York zu tun hatten.
    Wenn der alte Montague wirklich ein Anhänger jenes uralten schottischen Teufelskults war, konnten wir uns auf allerhand gefaßt machen. Montague und Asenath mußten große Macht besitzen.
    Plötzlich fröstelte ich. Ich sah die Hochhäuser, Wolkenkratzer und Straßenschluchten von Manhattan mit anderen Augen. Hinter den vielen Lichtern der Großstadt lauerte das Unheimliche.
    »Fahren Sie etwas schneller«, sagte ich zum Chauffeur. »Wir haben es eilig.«
    Er trat aufs Gas und überholte gekonnt im Slalomstil.
    »Eine Frage, Mister«, sagte er, als wir an der nächsten roten Ampel halten mußten. »Kennen Sie New Yorks einzige Jungfrau über sechzehn?«
    »Das ist die Freiheitsstatue«, mischte sich Laurie Ball von hinten ein. »Driver, der Witz hat einen Bart von hier bis Miami. Und hinter Miami der schwarze Apparat mit der Rolle, das ist die Bartwickelmaschine.«
    Suko und ich lachten dreimal kurz. Eine Viertelstunde später hielten wir vor dem Wohnblock des Studentenwohnheims, in dem Linda Maitland ihr Zimmer hatte. Oben im 26. Stock, mit Aussicht auf den Riverside Park und den Westside Express Highway.
    ***
    Bill Wesson steuerte seinen Datsun Cherry in den Riverside Park. Er lenkte nur mit der linken Hand, die Rechte spielte am Nacken von Agnes Lakehurst, einer Achtzehnjährigen mit aufregenden Formen. Kastanienbraunes Haar fiel über Agnes’ Schultern. Ihr gelber Strickpulli spannte sich über Brüsten, die jeden Kurvenstar vor Neid hätten erblassen lassen.
    Im Gesicht sah Agnes Lakehurst nicht ganz so gut aus. Ihre Nase war etwas zu spitz, und sie litt an unreiner Haut. Allen kosmetischen und medizinischen Bemühungen zum Trotz.
    Bill Wesson war dreiundzwanzig Jahre alt, er studierte Rechtswissenschaften. Er hatte eine Figur wie eine Bohnenstange, abstehende Ohren und trug eine schwarze Hornbrille. Er erinnerte an einen zu lang geratenen Woody Allen in jungen Jahren.
    Doch Bill war kein Kostverächter. Seit Wochen war er mit aller Vehemenz hinter Agnes her. Bei ihrer Figur sah er über die spitze Nase und die Akne glatt hinweg. Außerdem wollte er sie ja nicht gleich heiraten.
    Er hätte Agnes nach einem Einkaufsbummel in Manhattan Midtown zum Studentenwohnheim fahren sollen. Am Abend beabsichtigten sie, mit anderen Studenten ein Musical zu besuchen. Bill Wesson war absolut unmusikalisch, ihm schwebte ein anderer Verlauf des

Weitere Kostenlose Bücher