0045 - Der Höllensumpf
half eben Nicole hinein. Katulpek wandte sich Zamorra zu und sah ihm voll ins Gesicht.
Das Mondlicht zeichnete harte Kerben in sein verwittertes Gesicht.
»Ich kann es nicht, Herr des alten Silbers. Die Götter haben es mir nicht gesagt. Aber Soro wird befreit. Es wird schrecklich werden.«
Katulpek sah ihnen nach, als sie den Kahn von der Insel der Seminolas wegmanövrierten. Hatte nicht so etwas wie ehrliches Mitleid in seinem Blick gestanden?
***
Terzanos Gesicht war immer noch hassverzerrt, obwohl schon fast eine halbe Stunde seit Perentas Anruf verstrichen war. Die Felle begannen ihm wegzuschwimmen. Das fühlte er! Nachdem Moreno und Luxington dank seiner Mithilfe vorzeitig das Zeitliche gesegnet hatten, war Terzano voll auf den verbliebenen Mann des ehemaligen Triumvirats angewiesen. Er hatte nie damit gerechnet, dass Perenta sich sträuben würde. Nach allem, was geschehen war.
Wer sollte ihn jetzt in die laufenden Geschäfte der Organisation einweisen, wenn nicht dieser hinterhältige Molch, der sich so beiläufig geweigert hatte, als würde er nur eine Nachnahmesendung ablehnen? Hatte Perenta denn keine Angst? Rutschte ihm nicht schon längst das Herz in die Hose?
Er musste doch wissen, dass es keinen Schutz vor Soro gab.
Aldo Terzano ließ diese halbe Stunde ungenützt verstreichen und weitere drei Stunden dazu. Mitternacht war bereits weit vorüber, bis er sich zu einem endgültigen Entschluss durchgerungen hatte. Er nahm seine ausgestreckten Beine von Luxingtons Schreibtisch. Anfangs hatte er noch mit dem Gedanken gespielt, Perenta würde ihm eine Garde ausgesuchter Mörder frei Haus liefern, doch das war nicht geschehen.
Selbst Terzano konnte sich damit an den fünf Fingern abzählen, dass Perenta etwas gegen ihn in der Hand haben musste. Die Drohung mit seinem neuen Blut saugenden Killer hatte offensichtlich nicht den Eindruck hinterlassen, den Terzano sich erhofft hatte.
Fatalismus drohte ihn zu übermannen, hatte ihn bereits übermannt.
»Dann eben ohne dich«, murmelte er wütend im Selbstgespräch, und seine Zähne knirschten. Die Backenknochen traten hart aus seinen Wangen. Aldo Terzano hatte sich entschlossen. Er würde seinen Trumpf jetzt ausspielen. Gnadenlos. Die Organisation konnte er dann immer noch wiederaufbauen. Mit jener Machtfülle, über die er jetzt verfügen konnte, war ihm schließlich nichts unmöglich. Soro gehorchte weitaus besser als ein Hund.
Eine trübe Stimmung lastete über dem Prachtbau, den es doppelt gab. Terzanos üble Laune hatte auch seine neuen Leute angesteckt.
Der Chef reagierte nicht so forsch, wie er sich bei der Gewaltübernahme am Vormittag gegeben hatte. Der Chef wirkte bedrückt. Er hatte sich in den Arbeitsraum eingeschlossen, aus dem die Leichen entfernt worden waren. Die Flächen, wo die Blutlachen waren, hoben sich ein wenig heller ab. Sie waren frisch gereinigt. Angewidert starrte Aldo Terzano darauf.
Dann widmete er seine volle Aufmerksamkeit seiner Waffe, prüfte den Sitz des Schalldämpfers und sah nach, ob alle Kammern der Trommel gefüllt waren. Eine zweite und auch noch eine dritte Trommel steckten in den Seitentaschen seines Sakkos. Terzano wollte nicht untätig abwarten, bis Soro sein grausiges Werk verrichtet hatte. Diesmal wollte er als Augenzeuge dabei sein. Das war er seinem Groll und seinen sizilianischen Rachebegriffen schuldig.
»Ben!«, schrie er in das Mikrofon der Nebensprechanlage. »Fahre den Caddy vor. Rico und Gonzales sollen auch mitkommen. Die Kugelspritzen nicht vergessen. Ich werde euch heute Abend noch ein Schauspiel liefern, das ihr zeitlebens nicht mehr vergessen werdet.«
Terzano nahm den Zeigefinger von der Sprechtaste, ohne die Antwort abzuwarten. Ein grimmiges Lächeln hatte sich in seine Mundwinkel gegraben. Jetzt würde er reinen Tisch machen. Er würde seine Gegner wegfegen wie die Kegel auf der Bowlingbahn. Sie sollten ihn noch kennen lernen. Ihn – Aldo Terzano!
Nach knapp fünf Minuten saß die seltsame Abordnung im weiträumigen Wagen. Terzano ließ sich aus dem Barfach einen Whisky eingießen. »Noch jemand?«, fragte er jovial.
Die anderen tranken aus der Flasche. Der fette Rico rülpste ungeniert. Sekundenlang überlegte Terzano, ob er sich das in der Gegenwart Luxingtons auch erlaubt hätte, doch dann schob er den Gedanken daran wieder von sich. Er musste sich jetzt auf etwas anderes konzentrieren.
»Zu Perentas Villa!«, befahl er knapp und lehnte sich in den bequemen Sessel zurück.
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