0047 - Die Geisterfürstin
nicht erspäht.
Dann endlich sah er ihn.
Und er sah auch die ältliche Dame wieder, die ihre Einkäufe erledigte. Ihr Auge war ebenfalls auf Bill gefallen. Sie betrachtete ihn offensichtlich als absolute Rarität, wenngleich Bill sonnengebräunt war. Trotzdem: schon sein Gesichtsschnitt war naturgemäß anders als jener der ihn umgebenden Sklaven.
Die Frau deutete nach oben. Eine Wächterin kettete Bill los.
Zamorra wandte sich ab. Bill durfte ihn nicht sehen.
Noch nicht. Er hätte die ganze Szene verpatzen und Zamorras Tarnung zerstören können.
Erst nach einiger Zeit wagte Zamorra wieder hinzusehen. Zum Glück war Bill nicht wieder angekettet worden. Auch schien die Frau ihre Einkäufe getätigt zu haben. Von drei bewaffneten Dienerinnen und drei neu erstandenen Sklaven begleitet, zog sie ab, jenem Viertel zu, in dem die Kuppelgebäude am höchsten waren, nur noch vom Palast überragt.
Zamorra folgte dem Trupp in einiger Entfernung. Die Menschen auf den Straßen wurden weniger. Die Straßen waren gepflastert.
Die ältere, stark geschminkte Frau ging voraus. Schließlich verschwand sie in einem Hauseingang.
In diesem Augenblick sprang Zamorra mit wenigen großen Sätzen nach vorne, streckte sich zu seiner vollen Größe und ließ den oberen Burnus vom Kopf gleiten.
»Ha!«, schrie er nach der Art der studentischen Fechter.
Bill fuhr blitzartig herum und fing geschickt das Schwert auf, das Zamorra ihm gleichzeitig zugeworfen hatte.
Die Dienerinnen waren nicht so geübt wie die Kriegsamazonen.
Bill brauchte mit der ersten Gegnerin nur dreimal die Klingen zu kreuzen, dann flog ihr Schwert in hohem Bogen auf den Pflasterboden, wo die Klinge Funken stiebend zerbarst.
Der ganze Kampf dauerte keine zehn Sekunden, dann lagen die bewaffneten Dienerinnen leicht verletzt am Boden.
Im Hauseingang stand die Frau und schrie Zeter und Mordio.
»Halt deinen dummen Rand«, sagte Bill und setzte ihr seine Faust auf die Stirn, worauf die Frau sehr schnell seinem Vorschlag folgte.
»Was wartet ihr noch?«, rief er dann den übrigen Sklaven zu.
»Verduftet.«
Auch wenn sie kein Englisch verstanden, hatten sie sehr schnell verstanden. Sie stoben in alle Richtungen davon.
Dasselbe taten Bill und Zamorra. Laufend steuerte Zamorra die Altstadt an, in deren winkeligen Gässchen man sich am besten verstecken konnte.
Bill hatte noch der Frau und einer der Dienerinnen die Kleidung vom Leib gerissen und umwickelte sich noch im Laufen damit.
Dann verlangsamten sie ihre Schritte, als sie bemerkten, dass bisher noch niemand die Verfolgung aufgenommen hatte.
»Du machst dich ganz gut als Haremsdame«, grinste Zamorra.
Um auszudrücken, wie froh er war, den Freund wiederzuhaben, genügte ein einziger kurzer Blick.
***
Sie mieden die weiten Plätze und die großen Straßen und drückten sich durch enge Gassen, in denen die Sonnenglut brütete. Trotzdem hatten sie sich vermummt wie Eskimos im Winter. Sie suchten einen Platz, an dem sie sich ungestört unterhalten konnten.
Zamorra suchte wieder dieselbe Kneipe auf, in der er auch schon am Vorabend gesessen war. Er fand sie auf Anhieb wieder. Man konnte sie fast am beißenden Geruch erkennen, der Bill die Nase rümpfen ließ.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass du in so etwas verkehrst«, meinte er, zog den Kopf ein, um sich nicht am niedrigen Eingang zu stoßen. Diesmal waren sie die einzigen Gäste, obwohl viel fremdes Volk in der Stadt war. Zamorra hatte bei seinem ersten Besuch ein paar Brocken aufgeschnappt und konnte sich deshalb jetzt leidlich in der ungewohnten Sprache verständigen.
Er bestellte zwei »Skraal«. So hieß das Getränk, das ihm nicht ganz geheuer vorkam. Wieder bediente sie der Glatzköpfige. Von der Wirtin war nichts zu sehen.
»Seit wann trinkst du Pferdeschweiß?«, brachte Bill wieder eine seiner Fragen los.
»Koste erst mal. Aber sei vorsichtig. Das Zeug brennt wie bester nordamerikanischer Westernfusel. Wenn du dir die Nase zuhältst, schmeckt es nicht einmal so schlecht.«
Gleich darauf kamen sie auf Nicole zu sprechen.
»Du weißt also nicht, wo sie geblieben ist«, sagte Zamorra wie zu sich selbst. »Dann muss ich wohl mit dem rechnen, was ich heute aufgeschnappt habe.«
Und als Bill ihn fragend anschaute: »Heute ist die Inthronisation einer neuen Königin. Bei diesem Anlass soll eine weiße Frau den Göttern geopfert werden.« Bills Brauen ruckten hoch.
»Ich glaube, ich habe dir auch einige Neuigkeiten zu berichten.«
Dann erzählte
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