0049 - Ich und der Teufel MAM
sich wie ein satter Jaguar. Als die Zigaretten brannten, fragte ich, ob es schwer sei, mit den Indios auszukommen.
»Juan Rivas und ich haben im Lauf der Jahre gelernt, uns mit ihnen in ihrer Sprache zu unterhalten. Auch haben wir — und das ist die Hauptsache — gelernt, wie man sie anfassen muß. Mit Schimpfen und Schnauzen erreicht man nur das Gegenteil. Sie legen Hacke und Schaufel weg, gucken einen von oben bis unten an und verschwinden im Urwald. Und ohne Indios geht es nun einmal nicht. Für einen Weißen ist körperliche Tätigkeit in diesem feuchtschwülen Klima unmöglich. Wenigstens nicht für längere Zeit.«
»Das leuchtet mir ein. Ich hörte von geheimen Bräuchen der Indios, Senor Almonte.«
»Die gibt es, das steht absolut fest. Vor allen bei den Nachkommen der Mayas, den scheuen Lacandones und Icaiches der Wälder, den Itza am See, den Mopan und Chol im Osten und Süden sowie bei den Quiche und Kakchipuels, die rund um Campeche sitzen. In Chichen Itza haben wir es mit Icaiches zu tun. Im allgemeinen bilden sie ein ruhiges Bevölkerungselement, aber immer wieder kommt da und dort an den alten Mayakultstätten so etwas wie ein magischer Wirbel zustande, der in die längst verschütteten Tiefen der Vergangenheit hinabgreift und Riten ans Licht unserer Tage zerrt, die phantastischer sind als die alten von uns ausgegrabenen Steinreliefs. Die alten Götter werden beschworen, Zauberer machen ihren Hokuspokus, Reiche sollen wiedergegründet werden, die vor Jahrtausenden in Schutt versanken, der Maya-Gottkaiser Kukulcan wird wieder bemüht und angefleht, ein neues Reich des Roten Mannes vom Rio Grande bis Bogota aufziurichten, und dergleichen mehr. Natürlich macht dabei die Schnapsflasche die Runde, was nicht wenig dazu beiträgt, die Stimmung zu heben. Meistens sind die Kaziken, die Stammeshäuptlinge, wenn man es so bezeichnen will, dem Trunk ergeben. Diese Burschen üben immer noch eine nicht zu unterschätzende Macht auf ihre Leute aus.«
»Und wie verhält es sich mit dem Kaziken, zu dessen Bereich Chichen Itza gehört?«
»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, Senor. Pichale — so heißt der Kazike der Icaiches — rührt keine Schnapsflasche an, spricht geläufig Spanisch und ist ein intelligenter Bursche. Ich habe des öfteren mit ihm zu tun, weil Meinungsverschiedenheiten mit den bei uns arbeitenden Indios — sie unterstehen ihm ja — nur mit seiner Hilfe beigelegt werden können. Ein Befehl von ihm, und die größten Schreier werden zahm und unterwürfig. Wohl oder übel müssen wir uns schon mit ihm auf gutem Fuße halten.«
Er warf einen Blick auf die Uhr.
»Darf ich Sie daran erinnern, Senor, daß wir noch einen weiten Weg bis nach Chichen Itza haben?«
Ich verabschiedete mich von der alten Filipa und ihrer Tochter, die bereits meine beiden Koffer zum Wagen gebracht hatten, und stieg ein.
Der Wagen war ein mit Brennstoffkanistern, Reservereifen und vorher besorgten Kisten mit Proviant und Handwerkszeug vollbepacktes spanisches Pegaso-Kabriolet. Beiderseits waren Gestelle angebracht, in denen zwei Winchesterbüchsen standen. Hinten auf einer Kiste hockte ein Indio.
Ich ließ, beeindruckt von dem Neuen, was jeden Augenblick auf mich einstürmte, Campeche und auch den Mordfall hinter mir zurück. Bald dachte ich überhaupt nicht mehr daran.
Zuerst ging es über eine Menge Brücken, die nicht alle in jener Verfassung waren, die einem Verkehr mit Lastfuhrwerken gewachsen sind. Sie führten über Flüsse wie den Rio Honde, den Rio Grande und den Champton, deren Mündungen den Hafen von Campeche bilden.
Dann schnurrte der Pegaso durch eine schier unendliche, nur von bedeutungslosen Hügelketten unterbrochene Ebene, die mit Pflanzungen bedeckt war. Almonte klärte mich auf, was Maniok, Yams, Kakao, Indigo, Kaffee und so weiter war.
Nach etwa zwei Stunden kam der Urwald. Er kam nicht etwa zaghaft mit Vorboten von Unterholz, nein, er war gleich da in seiner ganzen wilden Reckenhaftigkeit.
»Und jetzt« lockerte Olas Almonte die Schrauben der beiden Gewehrhalter. Er fragte mich erst gar nicht, ob ich mit einem Gewehr umgehen könnte, das hielt er für selbstverständlich. Ich sah ihn fragend an, und er lachte freundlich:
»Ozelot.«
Ich schüttelte den Kopf. Gehört hatte ich wohl' schon den Namen, wußte ihn aber nirgends unterzubringen. Bis ich erfuhr, daß Ozelot das Mayawort für Jaguar war. Und ich stellte mir selbst ironisch die Frage, warum unsere braven Pelzhändler von
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