0049 - Ich und der Teufel MAM
erklären.
»Chichen Itza heißt wörtlich übersetzt ›Am Brunnen des Stammes Itza‹. Trotz der häufigen Tropenregen, besonders stark im Februar und März, ist es hier ein ausgesprochen wasserarmes Land. Das kommt von dem porösen Kalkboden, die Flüsse laufen unterirdisch an den Tonschichten entlang, und die trichterförmigen, sehr tiefen Brunnen müssen unter Ausnützung von Einsturzkesseln gegraben werden. Das hatten schon die Mayas gewußt. An zwei solchen günstig gelegenen ,Tzonotes‘ gründeten sie im Jahre 531 nach Christi Geburt Chichen Itza, das sich im Lauf der Zeit zur Hauptstadt des Mayastaates entwickelte. Selbstverständlich errichteten wir unser Lager in der Nähe des noch intakten Brunnens.«
»Und wo wird gearbeitet?« fragte ich.
»In einem Teil der Ruinen, die durch eine von uns gehauene Waldschneise zu erreichen sind. Die Schneise führt in leichtem Bogen von der Pyramide zur Linken — der Pyramide des Kukulcan — zum Caracoltempel, wo die Professoren und Juan Rivas mit unseren Indios augenblicklich arbeiten.«
»Und was macht Doktor Fox?«
»Der…? Wird vermutlich das machen, was er ständig tut — unseren Bestand an leeren Flaschen vergrößern.«
»Sieht ihm Mrs. Fox dabei zu?«
»Sie gehen ja schon gleich aufs Ganze, Mr. Cotton. Da Sie als Polizeimann, der hier endlich einmal Ordnung schaffen soll, ein Recht haben, solche Fragen zu stellen, will ich sie auch pflichtgemäß beantworten, soweit ich es vermag. Mrs. Fox sieht bestimmt ihrem Mann nicht zu, wenn er sich voll Alkohol pumpt.«
»Was macht sie denn sonst?«
»Sie streift durch den Urwald und stöbert Jaguare auf. Das ist ihr Hobby.«
»Ein an sich schon gefährliches Hobby — und besonders gefährlich für eine Frau.«
»Mrs. Fox versteht mit einer Schußwaffe besser umzugehen als wir hier alle zusammen. Jetzt natürlich, da sich ein G-man in unserer Mitte befindet, wird sie nur noch die zweitbeste auf diesem Gebiet sein.«
Larry Jopling führte mich auf die Veranda eines besonders großen Bungalows. Neben der Treppe war ein Pfahl mit einer Tafel eingerammt, auf der zu lesen stand: Aufenthaltsraum für Mitglieder der Expedition Greet.
Ich war angenehm überrascht. Das Gebäude war in mehrere Räume unterteilt, in den »Klub«, eine Bar und die Küche mit Vorratsgelaß. Der Klubraum besaß mehrere Tische mit bequemen Korbsesseln, auf dem Boden lagen Sisalteppiche, an den Wänden hingen eingerahmte Fotos von Landschaften aus den Vereinigten Staaten.
Zwei Neger waren in der Küche dabei, das Abendessen zuzubereiten. Sie trugen weiße Schürzen und gleichfarbene Rundmützen.
»Haben Sie Hunger, Mr. Cotton«, fragte mich der Riese, »oder wollen Sie warten? Um 6.30 Uhr wird gespeist.«
»Ich möchte lieber warten«, gab ich zur Antwort. »Aber einen eisgekühlten Drink lehne ich nicht ab.«
»Okay.«
Wenig später standen wir an der Bar und bedienten uns selbst. Es gab elektrisches Licht, Ventilatoren, Radio mit Plattenspieler und noch mehr Attribute der Zivilisation. Fürwahr, man konnte es in Chichen Itza schon aushalten.
»Wenn ich bloß wüßte, wer die drei Boys erschossen hat«, grollte der Gigant neben mir und schlug auf die Glasplatte der Bar, daß ich dachte, er würde sie zertrümmern. »Mit diesen, meinen Händen brächte ich ihn um! Sie haben doch bestimmt mit dem Comissario gesprochen. Ein patenter Bursche, aber was hat er erreicht? Nichts! Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Mr. Cotton, aber Sie gehören doch auch zu denen, die es sich zur Aufgabe gestellt haben, Gesetzesfrevler zu entlarven. Ich bin Archäologe und verstehe von Ihrem Metier herzlich wenig. Etwas glaube ich doch herausgefunden zu haben: Ihr Polizeileute geht nach einem vorgeschriebenen Schema vor. Und fällt etwas aus dem Rahmen, entsteht Verwirrung. Ich habe den Eindruck, als vergäßet ihr Kriminalisten — siehe unseren Fall in Campeche — tiefer zu schürfen.«
»Wie meinen Sie das?« fragte ich.
»Ich meine, daß der Mörder aus einem Motiv seine Schurkentat vollbracht hat, das völlig außerhalb der von Comissario Labastida gehegten Vorstellungen liegt. Vermutlich auch außerhalb der Ihrigen.«
»Sie irren, Doktor«, erwiderte ich. »Der Comissario hat sehr wohl erkannt, daß das Motiv nicht in den üblichen Dutzendrahmen paßt. Weder Raubmord noch Erpressung oder Rache. Wie der Comissario außerdem feststellte, scheidet auch Eifersucht als Motiv aus.«
»So? Eifersucht soll auch als Motiv ausscheiden? Woher will der
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