005 - Nachts wenn die Toten kommen
Sie öffneten
die Tür und verneigten sich vor dem reichen Südamerikaner, der zwei
Bananenplantagen in Honduras, eine Kaffeeplantage in Brasilien und eine
Hazienda in Mexiko besaß, auf der eingeborene Indios für ein Taschengeld
arbeiteten. Fernandez Cruzco konnte es sich leisten, zwölf Monate im Jahr auf
Urlaub zu sein, seine Geschäfte regelten sich von selbst.
Seit zwei Tagen erst befand er sich in der amerikanischen Kleinstadt
Pickens am Big Black River. Er hatte die Absicht – wie viele Millionäre –, hier
ein Grundstück zu erstehen, das möglichst nahe am Fluss liegen sollte. Aus
diesem Grund war er schon mit einigen Maklern zusammengekommen, hatte Kontakt
zur feinen Gesellschaft geknüpft und war überhaupt recht freundlich im Kreis
der Reichen hier in Pickens aufgenommen worden.
Fernandez Cruzco verfügte über jenen Schuss Witz, der ihm einen besonderen
Charme verlieh. Besonders bei den Damen der Gesellschaft hatte er sofort
Erfolg. Er war gewandt, witzig, sah gut aus und war reich.
Mit ruhiger Stimme gab er seine Anweisungen. »Der Wagen muss gewaschen und
der Ölstand kontrolliert werden! Lasst ihn zur Garage bringen! Bis zum späten
Nachmittag brauche ich ihn wieder!«
»Wird erledigt, Sir«, sagte einer der Livrierten.
Fernandez Cruzco näherte sich mit federnden Schritten dem Hoteleingang. Die
Tür wurde ihm geöffnet.
Der Südamerikaner ging sofort zur Rezeption. »Erfolgte während meiner
Abwesenheit ein Telefonanruf?« fragte er knapp. »Sonst eine Nachricht?«
Der diensthabende Empfangschef konnte nur beide Fragen verneinen.
Fernandez Cruzco warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. Selbst die
Zeiger waren aus Gold.
»Zehn Minuten vor zwölf«, murmelte er leise. Er sah sich um, als erwarte er
jemanden. Unwillkürlich spielten die Finger seiner rechten Hand mit einem
massiven Siegelring, der auf dem Ringfinger seiner Linken steckte. Die
Goldplatte darauf, die das Monogramm FC trug, war fünf Millimeter stark.
Fernandez Cruzco wandte sich erneut an den Empfangschef. »Ich bin um zwölf
Uhr mit Mister Henders und Mister Blaking verabredet. Falls die Herren nach mir
fragen sollten, ich bin auf meinem Zimmer. Ich habe noch einen dringenden Anruf
zu erledigen – apropos Anruf: Mein Telefon ist wieder in Ordnung?«
»Jawohl, Sir. Zwei Arbeiter der Telefongesellschaft haben den Anschluss
heute Morgen repariert.«
»Wunderbar.« Fernandez Cruzco ging zum Lift und fuhr zwei Stockwerke höher.
Mit federnden Schritten bewegte er sich durch den langen, mit einem dicken
roten Teppich ausgelegten Gang und betrat dann sein Zimmer. Es war geräumig und
mit kostbaren Möbeln eingerichtet – zu einer Tagesmiete von 250 Dollar.
Fernandez Cruzco zog die Jacke aus und ließ sich einfach in einen weichen
Clubsessel fallen. Er war müde, seine scharfgeschnittenen, markanten Züge
wirkten etwas erschlafft. Fernandez Cruzco musste sich die ganze Zeit über
unter ungeheurer Kontrolle gehalten haben. Seine Augenlider öffneten sich
wieder.
Sein braunes Gesicht und die beinahe blauschwarzen Haare standen in
merkwürdigem Gegensatz zu seinen rauchgrauen Augen. Er war wegen dieser
Besonderheit schon oft angesprochen worden. Und er hatte immer wieder nur die
eine Erklärung geben können: einer seiner Vorfahren war aus Norwegen
eingewandert. Von diesem fernen Ahnen hatte Fernandez Cruzco seine Augenfarbe
geerbt. Eine faszinierende Seltenheit, die diesem bei den Frauen anziehend
wirkenden Mann eine Sonderstellung einräumte.
Fernandez Cruzco atmete tief durch. Dann griff er nach dem Hörer. Der
Telefonapparat stand schräg auf dem flachen Tisch, und Fernandez Cruzco schob
ihn zurück. Seine Augen verengten sich, als er auf dem flachen Gummifuß den
mattblinkenden Reflex wahrnahm. Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken,
das wäre in dieser Sekunde das Schlimmste gewesen, was er hätte tun können.
Der winzige, stecknadelgroße Punkt auf dem Gummifuß war eine Aufnahmelinse.
Eine mikroskopisch kleine Fernsehanlage, die aus diesem Winkel einen
hervorragenden Aufnahmebereich über fast zwei Drittel des Hotelzimmers hatte.
Die Techniker, die heute Morgen das Gerät präpariert hatten, hatten etwas
mehr getan, als ihre Pflicht gewesen wäre.
Fernandez Cruzco lehnte sich zurück. Er hätte einfach die Hand vor das
Aufnahmeobjektiv halten und den Hörer auf die Gabel zurücklegen können, doch er
tat es nicht. Er wusste, dass er beobachtet wurde, und er war überzeugt davon,
dass jetzt auch ein
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