0050 - Der Gelbe Satan
meinem Freund Li-Shen.«
»Bist du angemeldet?«
»Nein.«
»Dann, Bruder, gehe wieder, und lasse dir einen Termin geben, denn der große Li-Shen ist sehr beschäftigt.« Für die beiden Aufpasser war die Sache damit erledigt. Für Suko nicht.
»Ich will ihn aber jetzt sprechen.«
»Wir haben dir einen Rat gegeben.«
Jetzt klang die Stimme des Wächters drohend.
Suko schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, daß ich deinen Rat nicht annehmen kann«, erwiderte er.
Die beiden Männer schauten ihn an. Obwohl sie wie Suko Chinesen waren, unterschieden sie sich fast wie Tag und Nacht von ihm. Suko war europäisch gekleidet, er hatte längst die Sitten und Gebräuche des Westens angenommen, während die beiden anderen noch in der Tradition verstrickt waren.
»Wir hatten dich gewarnt«, sagte der Größere und nickte seinem Kumpan zu.
Der reagierte blitzschnell und zauberte aus den Falten des Gewands eine Schurigin hervor. Eine tödliche Waffe.
Zwei starke Holzgriffe waren durch eine Eisenkette an der Oberkante miteinander verbunden.
»Wir werden dich nach unten schleifen!« zischte der Unbewaffnete und gab dem zweiten Chinesen damit das Startsignal.
Der Kerl sprang vor. Er stieß dabei einen Schrei aus, bewegte gedankenschnell beide Arme, die Kette wirbelte durch die Luft und hätte sich um Sukos Hals geschlossen.
Hätte…
Doch Suko war ein As.
Ebenso schnell tauchte er unter dem Mordinstrument hinweg und stieß die Karatefaust vor.
Der Mann mit der Schurigin kam aus dem Kampfrhythmus, wurde um die eigene Achse gewirbelt und ging in die Knie. Sein Atem pfiff.
Der zweite Mann griff an. Sein Fußtritt sollte Suko voll treffen, doch der Chinese nahm den Kopf zur Seite, und die nackten Zehen rasierten an seinem Kinn vorbei. Die Hände folgten.
Suko wehrte ab. Es klatschte, als die Gelenke gegeneinanderprallten. Mit großer Kraftanstrengung schleuderte Suko seinen Gegner zurück, der sich prompt in den Falten des Vorhangs verhedderte.
Zum Atemholen kam Suko nicht, denn der zweite Kerl hatte die sich bietende Chance ergriffen und war mit einem wahren Raubtiersatz hinter Sukos Rücken auf ihn zugesprungen. Mein Freund sah noch etwas vor seinen Augen vorbeihuschen, und im nächsten Moment umschlang die Kette seinen Hals.
Hinter ihm zog der Chinese die beiden Holzstäbe über kreuz. Und der zweite Kerl kam von vorn.
Er war zu unvorsichtig, denn Sukos Karatetritt traf und warf ihn zurück.
Dann kümmerte sich mein Freund um den Kettenmann. Er warf die Arme nach hinten, bekam den Kerl zu fassen und nahm ihn in einen schulmäßigen Judogriff. Suko bückte sich und hebelte den Chinesen gekonnt über seine Schulter.
Der Mann krachte auf den Rücken, ließ aber nicht los, und Suko wurde mit nach vorn gerissen.
Bevor sich die beiden Männer jedoch weiter bekämpfen konnten, erklang eine leise, aber befehlsgewohnte Stimme auf. »Laß ihn in Frieden. Er ist mein Gast.«
Der Mann war uralt und reichte Suko nicht einmal bis zur Schulter. Dazu war er von einer zwergenhaften Gestalt, aber das greise Gesicht mit dem Ziegenbart und den klaren, wissenden Augen strahlte soviel Weisheit aus, daß man vor diesem Menschen Ehrfurcht bekommen mußte.
Und das hatte Suko auch.
Er verneigte sich. »Ich grüße dich, großer Li-Shen. Mögen dir die Götter allzeit wohlgesonnen sein und dich sowie deine Schwestern und Brüder immer beschützen.«
Li-Shen antwortete: »Das gilt auch für dich, mein Freund. Doch nun erhebe dich, damit ich dich anschauen kann.«
Suko stand auf.
Li-Shen kam auf ihn zu, reckte sich und legte beide Hände auf seine breiten Schultern. »Prächtig siehst du aus, Suko. Sehr prächtig sogar. Ich sehe, daß sich meine Schulung bezahlt gemacht hat. Wie kommst du mit John Sinclair zurecht?«
Suko staunte. »Du weißt?«
Li-Shen lächelte weise. »Ich weiß sehr viel, mein Freund. Nichts bleibt mir unbekannt. Nur ist es schade, daß meine alten Freunde dabei gestorben sind. Aber du hast überlebt, und nur das ist wichtig im Moment. Gedulde dich einen Augenblick.«
Li-Shen schritt an Suko vorbei und schaute die beiden Chinesen strafend an. »Schleicht euch«, sagte er dann. »Kommt mir heute nicht mehr vor die Augen.« Wie geprügelte Hunde trotteten sie davon.
Der greise Chinese aber wandte sich um und lächelte Suko an. »Du wirst mir viel zu berichten haben, mein Freund. Komm, damit du dir deine Sorgen von der Seele reden kannst.«
Sie betraten ein durch eine Stahltür gesichertes Zimmer. Nie hätte
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