0050 - Der Gelbe Satan
man so etwas in diesem Haus vermutet, und auch die Einrichtung des Raumes überraschte. Bastmatten lagen auf dem Boden, auch ein Altar mit Räucherkerzen war vorhanden sowie ein niedriger Tisch und kunstvoll geschnitzte Lampen, aber das war nur die eine Hälfte.
Die andere Hälfte des Raumes zeigte eine supermoderne Anlage. Telefon, Fernschreiber, TV-Geräte und ein Minicomputer mit Sichtschirm machten deutlich, daß hier ein moderner Industriemanager arbeitete.
In der Tat war Li-Shen so etwas wie ein Manager. Er zählte zu den reichsten Männern Hongkongs. Nicht nur, daß ihm zahlreiche Speiselokale gehörten, nein, er war auch Eigentümer einiger Wäschereien und Herstellerfirmen von Oberbekleidung. Zusätzlich gehörten ihm zahlreiche Häuser. Auch ins Filmgeschäft hatte er sein Geld gesteckt. Für ihn arbeiteten zahlreiche Menschen. Er hatte seine Hand am Puls der Zeit, und in Hongkong geschah nichts, was ihm nicht zu Ohren gekommen wäre. Er wußte genau, welche Schiffe einliefen und was sie geladen hatten. Er kannte aber auch die Heroinschmuggler und Rauschgift-Dealer. Die Polizei verdankte ihm manch heißen Tipp.
Li-Shen war der ungekrönte König von Hongkong und Sukos Lehrmeister aus früherer Zeit.
Und er freute sich, seinen besten Schüler zu Gast zu haben. Man sah es deutlich an seinen Augen, die blitzten wie die eines jugendlichen Helden.
»Die Schale Tee steht, und das habe ich dir beim Abschied damals gesagt, immer für dich bereit, Suko. So soll es auch heute sein.« Li-Shen klatschte in die Hände, und eine seiner Töchter trug ein Tablett, auf dem zwei duftende Teetassen standen, herbei.
Suko wartete erst, bis sein Lehrmeister auf der Matte Platz genommen hatte, und setzte sich dann ebenfalls. Nie hätte er es gewagt, das Gespräch zuerst zu beginnen, und als Li-Shen die Schale anhob, da nahm Suko auch seine.
Sie tranken langsam, in kleinen Schlucken, setzten dann die Schalen wieder ab und schwiegen.
Nach einer Weile eröffnete Li-Shen das Gespräch. »Weiß John Sinclair, daß du bei mir bist?«
»Nein, großer Li-Shen.«
»Du hast ihm nie von mir erzählt, Suko?«
»So ist es.«
»Warum?«
»Ein Mann muß auch schweigen können, großer Li-Shen. Außerdem hat John nie die Neugierde besessen, mich danach zu fragen. Er kennt mein Vorleben überhaupt nicht.«
Li-Shen lächelte. »Und dabei ist es rätselhaft genug.«
»Ja.«
Sie schwiegen wieder. Dann fragte Li-Shen Suko, wie es ihm in der Fremde ergangen war. Suko erzählte offen und frei. Vor diesem Mann hatte er keine Geheimnisse.
»Und geheiratet hast du auch nicht«, sagte Li-Shen.
»Nein.«
»Meine Töchter sind bereit, einen Mann wie dich zu nehmen, Suko. Sie würden sich freuen. Jede einzelne von ihnen.«
»Ich weiß, großer Li-Shen, aber ich möchte mich nicht binden. Noch nicht.«
»Das Wort eines Mannes. Du bist gereift, Suko. Doch nun berichte, was dich in mein bescheidenes Haus führt.«
»Es ist ein Auftrag, großer Li-Shen. In London haben wir gehört, daß es hier in Hongkong Vampire geben soll. Und wie du weißt, haben wir uns dem Kampf gegen die Mächte der Finsternis verschworen.«
»Ja, das ist mir bekannt«, erwiderte Li-Shen. »Ihr habt große Erfolge errungen, denen meine aufrichtige Bewunderung gilt. Aber hier warten Dinge auf euch, denen ihr kaum gewachsen seid. Es gibt sie, die Vampire. Hier in Hongkong, denn er ist dabei, ein neues Reich aufzubauen.«
»Wer ist dabei?«
Suko platzte mit der Frage heraus. Früher hätte er das nie gewagt, aber auch die westlichen Einflüsse waren an ihm nicht spurlos vorübergegangen, obwohl er sich in den letzten Minuten stark zusammenriß.
»Der Gelbe Satan!«
Für Sekunden schloß Suko die Augen. Er hatte von dem Gelben Satan gehört. In der Schule war oft darüber gesprochen worden. Der Gelbe Satan war niemand anderer als der Sohn des berüchtigten Fu-Man-Chu. Und es hieß, er solle sogar noch schlimmer sein.
»Ich sehe dich überrascht, mein Freund«, sagte Li-Shen.
»Das bin ich auch, großer Meister.«
Der greise Chinese nahm einen Schluck Tee. »Ich weiß nicht, ob er schon durch die Stadt geistert, aber man sagte mir, daß alle Vorzeichen dafür sprechen. Es sind Vampire aufgetaucht. Sie sind wahrscheinlich von seiner Insel hergeflogen, um hier in Hongkong die menschliche Gestalt anzunehmen. Denn sie werden es sein, die den Gelben Satan an seinen Heimatort bringen.«
»Und das kann man nicht verhindern?«
»Man müßte es versuchen.«
»Du hast es
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