0050 - Der Gelbe Satan
nicht getan.«
»Nein, noch nicht. Es ist auch für mich sehr, sehr schwer, denn meine Männer haben Angst. Aufrechte Kämpfer sind selten geworden, das kannst du mir glauben. Wir leben in einer Zeit, in der die jungen Leute über ihre Eltern und Großeltern lachen und nicht mehr an die Mahnungen und Warnungen der Alten glauben. Das ist sehr schlimm. Noch nie war der Acker so fruchtbar, um die Saat des Bösen zu säen.«
Suko schluckte. Der Gelbe Satan hatte einmal ganz China beherrscht. Es war ein grausamer Vampir, der als unsterblich galt, denn in ihm, so hieß es, lebe der Geist des Fu-Man-Chu weiter.
»Kann man ihn noch stoppen?« flüsterte Suko.
»Schwer, mein lieber Freund. Er sammelte bereits seine Freunde.« Der Blick des weisen Chinesen glitt an Suko vorbei in unendliche Fernen. »Die Ratten haben sich bereits eingefunden«, sagte er. »Und wenn so etwas geschieht, ist es nicht mehr weit, bis zu seinem Kommen.«
»Weißt du, wo man ihn finden kann?« wollte Suko wissen und beugte sich gespannt vor.
»Genau nicht, aber ich habe einen Verdacht«, antwortete der alte Chinese.
»Ich höre.«
»Sein größter Helfer soll der Beerdigungsunternehmer Huang sein. So spricht man.« Suko sprang auf. Seine Augen schienen plötzlich in Flammen zu stehen. Er ballte die Hände.
»Was ist mit dir, mein Sohn?«
»Mein Freund John Sinclair ist zu ihm gegangen.«
»Zu Huang?«
»Ja, großer Li-Shen.«
Der weise Chinese umklammerte seine Teeschale. »Dann ist John Sinclair verloren«, flüsterte er so leise, daß Suko es kaum verstehen konnte…
***
Ich war perplex.
Woher kannte die Schöne meinen Namen. Gleichzeitig spürte ich, wie die Alarmklingeln in meinem Hirn immer greller anschlugen.
Trotzdem quälte ich mir ein Lächeln ab. »Sie – Sie haben mich erwartet?«
»Ja.«
Teufel, den Schock mußte ich erst einmal verdauen. Am liebsten hätte ich mir eine Zigarette angezündet, doch ich fand dies plötzlich unpassend.
Statt dessen schaute ich die Frau an. Sie war ein Traum. Irgendwie mußte ein europäischer Vorfahr in ihrer Ahnenreihe gewesen sein, denn die Mongolenfalte um ihre Augen herum war längst nicht so stark ausgeprägt wie bei reinrassigen Chinesen. Ihr Haar war lang, normalerweise würde es bis auf die Schultern fließen, doch die Frau hatte es mit Hilfe eines Kammes hochgesteckt.
Das Gesicht war fantastisch geschnitten. Die Haut hatte die Farbe eines frischen Pfirsichs, die Lippen glänzten naturrot. Eindrucksvoll und groß präsentierten sich die Augen, und das enge Kleid mit den hohen, bis zu den Waden reichenden Schlitzen bestätigte, daß sie eine vollendete Figur besaß.
An dieser Frau war wirklich alles dran.
»Sind Sie mit der Musterung zufrieden, John Sinclair?« fragte sie mich.
»Sehr. Aber darf ich wissen, wie Sie heißen, schönes China-Girl?« Ich formulierte meine Frage bewußt etwas lässig, vielleicht auch, um meine Verlegenheit zu überspielen.
»Aber natürlich dürfen Sie meinen Namen erfahren. Ich heiße Shao.«
»Sind Sie verwandt mit Huang?« stellte ich sofort die nächste Frage.
»Ich bin seine Tochter.«
Das hätte ich mir denken können. Ich blickte in die Runde. Dabei beobachtete ich das Girl aus den Augenwinkeln, aber in ihrem Gesicht zeigte sich keine Reaktion.
»Eine Frage haben Sie mir immer noch nicht beantwortet«, sagte ich. »Woher wissen Sie meinen Namen?«
»Man hat ihn mir gesagt.«
»Aha. Und wer, bitte schön?«
»Ein Freund.«
Mit der Antwort konnte ich überhaupt nichts anfangen. Wer mochte dieser Freund sein, und vor allen Dingen, wer wußte überhaupt, daß ich mich in Hongkong aufhielt? Vielleicht Mike Kilrain? Möglich war es. Ich wollte es herausfinden.
»Dann wissen Sie sicherlich, weshalb ich Ihr Haus aufgesucht habe?« Zum Teufel, jetzt fing ich auch schon an, so geschwollen zu reden. Das hätte mein Freund Bill Conolly hören müssen. Der wäre vor Lachen nicht mehr in den Schlaf gekommen.
»Ja, das weiß ich ebenfalls«, antwortete das schöne China-Girl.
Jetzt kam es darauf an. »Und? Wie stehen Sie dazu?«
Sie lächelte nur.
Es war wieder still geworden. Deshalb hörte ich das Rascheln, das mir vor einigen Minuten bereits aufgefallen war, um so deutlicher. Es klang hinter den Wänden auf, und manchmal hatte ich das Gefühl, als würde es lauter werden, dann aber wieder abklingen.
»Was ist das?«
»Es sind die Ratten«, sagte Shao.
Ich schluckte. Das Mädchen gab die Antwort mit solch einer Selbstverständlichkeit,
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