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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Leonardos sei noch lebendig. Tief in Gedanken versunken stieg der alte Diener die Treppe hinauf – und daß er seine Schritte zur Ahnengalerie gelenkt hatte, wurde ihm erst bewußt, als er vor dem großen, düsteren Porträt Leonardos verharrte.
    Ein finsteres Gesicht…
    Die markanten, männlichen Züge, die alle Montagnes auszeichneten und zu denen in der spanischen Linie der Familie die aristokratische Kühnheit eines alten Grandengeschlechts getreten war – aber auf diesem Bild wirkte das alles düster und verschattet. Leonardos zusammengekniffene Augen schienen den Betrachter anzustarren.
    Seine Lippen bildeten eine scharfe Kerbe, die Haut hob sich bleich vom dunklen Purpur des Tasselmantels ab. Das Gemälde war, wie Raffael wußte, kurz vor dem rätselhaften Tod des »Schrecklichen« entstanden – und er hatte sich schon oft darüber gewundert, wie wenig Ähnlichkeit es mit den anderen Bildern Leonardos hatte, die ihn sämtlich jünger zeigten, ernsthaft, fast träumerisch und ohne jene beklemmende, düstere Bitterkeit im Blick.
    Irgend etwas, überlegte Raffael, war diesem Mann geschehen.
    Irgendein Ereignis, das ihn von einem normalen Menschen in eine grausame Bestie verwandelt hatte. Seine Seele habe er dem Teufel verschrieben, hieß es. Ob all die Schauermärchen zutrafen, die es über ihn gab? Oder hatten die Chronisten vieles dazugedichtet, weil der Mann mit dem Amulett ihnen einfach unheimlich war, weil er nicht in ihr Weltbild paßte und…
    Raffaels Gedanken stockten.
    Immer noch starrte er das Bild an – und jetzt hatte er das Gefühl, als ob das Porträt seinen Blick erwiderte. Die Augen, eben noch düster und leblos, schienen aufzuglühen. Die schmalen, zusammengepreßten Lippen öffneten sich und das teuflische Kichern, das plötzlich in der Luft hing, dröhnte dem alten Diener wie ein Orkan in den Ohren.
    Er wich zurück.
    Drei Schritte, vier – bis er mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand stieß…
    Immer noch hingen seine Augen an dem unheimlichen Bild, und in fassungslosem Schrecken sah er, wie die gemalte Figur ganz langsam eine Hand hob.
    »Hinweg!« hallte die geisterhafte Stimme. »Hinweg aus meiner Burg, Elender! Ich bin gekommen, um die Macht zu übernehmen, die mir geraubt wurde. Ich werde wieder Herr sein in diesem Land. Ich werde…«
    Er verstummte.
    Ein wütendes Fauchen kam aus seiner Kehle – denn der alte Diener hatte mechanisch und fast ohne es zu wissen mit der Rechten das magische Zeichen des Kreuzes geschlagen. Schweiß stand auf Raffaels Stirn. Sein Herz hämmerte – und doch ließ er sich nicht überwältigen von der Panik, die in ihm aufzuflackern drohte.
    »Weiche!« rief er laut. »Weiche zurück in dein Reich, Dämon! Weiche! Weiche…«
    »Du willst mich bezwingen? Mit ein paar lächerlichen Worten willst du erreichen, was selbst der Meister des Übersinnlichen nicht vermochte? Niemand kann mir widerstehen! Niemand!«
    Erneut gellte das Höllengelächter auf.
    Und diesmal war es so grell, so teuflisch, so abgrundtief böse, daß Raffaels Nerven die Belastung nicht mehr zu ertragen vermochten.
    Irgendwo in seinem Innern schien eine Schranke zu zerbrechen.
    Wild warf er sich herum, rannte blindlings durch den langen Flur davon, und noch als er die Tür zu seinem Zimmer erreicht hatte, glaubte er hinter sich das triumphierende Kichern des Dämons zu hören…
    ***
    Wie die Vision aus einer fernen Märchenwelt lag der Palast des Kalifen Achman im Licht der verblassenden Sterne.
    Zamorra atmete erleichtert auf. Er hatte den Arm um Nicoles Schultern gelegt, sie drängte sich eng an ihn – aber auch das hatte wenig gegen die schneidende Kälte der Wüstennacht geholfen, die hinter ihnen lag. Sie standen im Schutz von Felsblöcken, musterten die bewachsenen Hügel, die schlanken Palmen mit ihren im Wind tanzenden Federwipfeln und die weißen Mauern und Rundbögen.
    Zamorra kniff die Augen zusammen, weil er vor den Toren des Palastes etwas zu erkennen glaubte. Wächter? Nein, das waren Holzpfähle, das waren gefesselte Gestalten…
    Auch Bill hatte es gesehen.
    »Hey«, flüsterte er. »Da scheint ein Strafgericht stattgefunden zu haben. Der Kalif hat mit einigen seiner Leute das gemacht, was die glorreichen Kreuzritter mit Nicole und mir vorhatten.«
    Zamorra nickte knapp. Als der Dämon Bill und Nicole ins Mittelalter verbannt hatte, waren sie zunächst in die Gefangenschaft der Kreuzritter geraten, für Spione des Kalifen gehalten und an Pfählen gefesselt

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