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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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der glühenden Sonne ausgesetzt worden. Die gleiche grausame Prozedur hatten offenbar die beiden Araber hinter sich, die dort unten reglos in den Stricken hingen. Der Professor konnte ihre Gesichter nicht erkennen – aber er sah die Fetzen einer ganz bestimmten Tracht, und blitzartig fiel ihm ein: das waren die Wächter, die ihm, Zamorra, das Tor geöffnet hatten, als er Bill und Nicole befreit und mit Achman als Geisel den Palast verlassen hatte.
    Der junge Historiker schien den gleichen Gedanken zu haben. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne.
    »Nicht gerade die feine englische Art, seine Wut an Leuten auszulassen, die gar nichts dafür können«, murmelte er. »Aber im Mittelalter durchaus nicht unüblich.«
    Nicole runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht…«
    »Es sind die Männer, die uns das Tor geöffnet haben«, erklärte Zamorra. »Sie hatten gar keine andere Wahl, aber rein optisch waren sie es, die unsere Flucht aus dem Palast ermöglichten. Offenbar hat Achman sie zum Tode verurteilt.«
    »Aber das ist doch barbarisch, das…«
    »Es ist barbarisch. Wir werden sie befreien – wir müssen ohnehin bis zu dem Brunnen hinter der Mauer.«
    Zamorra richtete sich auf. Daß er allein gehen würde, hatten sie bereits besprochen. Ihm gab das Feuerschwert, das jeden Angreifer bannte, einen gewissen Schutz, Bill und Nicole dagegen waren wehrlos, und außerdem bestand die Gefahr, daß sie als Geiseln benutzt wurden, wenn sie in die Hände der Araber fielen. Vorsichtig verließ der Professor den Schatten des Felsblocks, glitt zur nächsten Deckung, arbeitete sich Schritt um Schritt den Hang hinunter. Der weite Platz vor dem Palast lag in grauem Zwielicht. Zwei turbangeschmückte Krieger lehnten neben dem Tor, oben auf der Mauer patrouillierten vermutlich noch weitere Wächter. Zamorra biß sich auf die Lippen. Die Chance, nicht entdeckt zu werden, stand allenfalls eins zu zehn – aber er wußte nur zu genau, daß er keine Wahl hatte.
    Als er den Fuß des Hügel erreichte, ließ er sich auf Hände und Knie nieder und robbte weiter. Noch schützte ihn die Dunkelheit, und er beglückwünschte sich dazu, daß er die Reise in Jeans und einem schwarzen Pullover angetreten hatte. Auf den letzten Yard gaben ihm ein paar Dornbüsche wenigstens spärliche Deckung. Sein Blick ging zu den beiden Männern am Pfahl hinüber – sie hingen reglos in ihren Fesseln, aber zumindest einer von ihnen atmete noch.
    Geschmeidig wie eine Katze glitt der Professor weiter, schlug einen Bogen und näherte sich den beiden Wächtern von der Seite.
    Dicht an der Mauer richtete er sich auf.
    Ein Vorsprung verbarg ihn. Drei Schritte nach rechts – seine Hand tastete nach dem Griff des Schwertes, und völlig lautlos zog er es aus der Scheide.
    Das Schwert des Feuers.
    Alban de Bayard hatte es ihm überlassen – und niemals wäre es ihm ohne die magische Waffe gelungen, den »Stern des Morgenlandes« zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen. Genausowenig, wie es Alban ohne das Feuerschwert vermocht hatte, dem Dämon zu widerstehen! Zamorra preßte die Lippen zusammen, spannte mit einem tiefen Atemzug alle Muskeln und Sinne – und dann schnellte er aus seiner Deckung wie ein angreifender Tiger.
    Die arabischen Wächter fuhren zusammen.
    Entsetzen verzerrte ihre Gesichter. Für den Bruchteil einer Sekunde waren sie wie gelähmt – und die winzige Zeitspanne genügte Zamorra, um blitzschnell mit dem Schwert auszuholen.
    Er wollte seine Gegner nicht töten.
    Er verletzte sie nicht einmal.
    Lediglich die äußerste Spitze der Klinge streifte die beiden Männer – und kaum daß sie die leichte Berührung verspürten, schienen sie mitten in der Bewegung zu Stein zu erstarren.
    Zamorra atmete tief.
    Einen Moment lang lauschte er, aber offenbar hatte niemand den Zwischenfall bemerkt. Noch einmal hob er das Schwert, diesmal berührte einen der Krieger mit der Spitze an der Stirn, und seine Stimme klang leise, eindringlich und beschwörend.
    »Du wirst das Tor öffnen! Hörst du mich? Du wirst das Tor öffnen!«
    Die Augen des Kriegers hingen starr an Zamorras Gesicht. Der Professor sprach Arabisch – das altertümliche Arabisch, das ihm aus seinen umfangreichen Studien der ägyptischen Mythologie geläufig war.
    »Ja«, sagte sein Gegner leise und seltsam monoton. »Ich werde – das Tor öffnen…«
    »Du wirst zwei Wasserschläuche holen, sie am Brunnen füllen und mir bringen!«
    »Zwei Wasserschläuche…«, echote der

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