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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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geringste Hoffnung. Es ging auf vier Uhr früh, die Begleitung der Jungen aus der Discothek im alten Forsthaus hatte sie ausgeschlagen – und die Straße zum Dorf führte mitten durch die Wälder und berührte lediglich den weitläufigen Park von Château Montagne, wo um diese Zeit bestimmt schon alles in tiefem Schlaf lag.
    Simone seufzte, als sie den Wagenschlag aufstieß.
    Schade, dachte sie, daß heutzutage auf Schlössern keine Märchenprinzen mehr wohnen, die bedrängten Jungfrauen zur Hilfe kommen. Wobei der Ausdruck »bedrängte Jungfrau« in zweifacher Hinsicht nicht auf sie zutraf. Simone lachte leise – und wie als Antwort darauf hörte sie das gedämpfte Geräusch zwischen den Bäumen.
    Sie runzelte die Stirn.
    Irgendein Tier.
    Oder ein Mann, der sich um diese Zeit zu Fuß hier draußen herumtrieb?
    Der Gedanke verursachte Simone Unbehagen. Zwar war sie vernünftig genug, um sich zu sagen, daß ein potentieller Frauenschänder bestimmt nicht nachts um vier mitten im Wald lauerte, aber trotzdem spürte sie ungewisse Furcht. Rasch ließ sie sich wieder auf den Fahrersitz fallen, tastete auf dem Ablagefach herum, und erst als sich ihre Finger um den geriffelten Griff der Gaspistole schlossen, fühlte sie sich wieder etwas sicherer.
    Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt.
    Sie sah die Bewegung zwischen den dicken Stämmen, sah die Umrisse der Gestalt, die langsam näherkam. Irgend etwas erschien ihr merkwürdig, ohne daß sie zunächst einen Grund dafür gewußt hätte – und dann begriff sie: es waren die seltsamen, lang wallenden Gewänder und vor allem die Lautlosigkeit der Schritte auf einem Boden, der doch bestimmt von trockenen Zweigen und Laub bedeckt war.
    Simone verwünschte die Reifenpanne.
    Gleichzeitig fragte sie sich besorgt, ob die Waffe in ihre Hand funktionieren würde. Entsichert war sie. Aber ausprobiert hatte sie die Wirkung noch nie, sie bezweifelte plötzlich die beruhigenden Zusicherungen aus der Gebrauchsanweisung und…
    Der Mann hatte den Weg erreicht.
    Noch ein Schritt, dann erfaßte ihn das Lichtbündel der Scheinwerfer. Simone sah eine hochgewachsene Gestalt, langes steingraues Haar, einen dunkelroten Samtmantel über einem bodenlangen Gewand, das bestimmt nicht aus dieser Zeit stammte – und für einen Moment vergaß das Mädchen vor Überraschung sogar die Furcht, die sie eben noch empfunden hatte.
    Ein Verrückter?
    Oder wurde irgendwo in der Nähe ein Maskenball gefeiert? Auf dem Schloß vielleicht oder…
    Simones Überlegungen zerfaserten.
    Sie war dem Blick des Fremden begegnet, einem scharfen, stechenden Blick, der ihr wie ein Messer unter die Haut ging – und von diesem Moment an war sie nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sie sah nur noch die Augen.
    Augen, die aus dem bleichen Gesicht leuchteten wie bernsteinfarbene Flecken. Die sie magisch anzuziehen schienen, ihren Geist aufsogen, ihren Widerstand lähmten. Ganz langsam, wie eine unmerklich steigende Flut, wuchs etwas Fremdes, Unheimliches in Simones Innerem – und sie wurde sich nicht mehr bewußt, daß es die Kraft eines dämonischen Willens war, der von ihr Besitz ergriffen hatte.
    Wie unter einem Zwang öffnete sie den Wagenschlag und stieg aus.
    Die Gaspistole ließ sie achtlos zu Boden fallen, genau wie die Handtasche, die sie in der Linken getragen hatte. Schritt für Schritt ging sie auf den Fremden zu, wie von einem unsichtbaren Seil gezogen, einem Seil aus psychischer Energie, und erst zwei Schritte vor dem hoch aufgerichteten Geisterwesen blieb sie stehen.
    Ein leises, triumphierendes Gelächter kam aus der Kehle des Dämons.
    Seine Augen funkelten. Seine Stimme war nur ein Hauch, aber das Opfer hätte ihn auch ohne Worte verstanden.
    »Du gehörst mir«, flüsterte er. »Mir, Leonardo de Montagne! Ich bin zurückgekehrt, ich werde die Macht wieder übernehmen, die mir geraubt wurde, und du wirst meine erste Sklavin sein.«
    Er wandte sich um.
    Ohne noch ein einziges Mal zurückzublicken, verschwand er wieder zwischen den Bäumen. Und die neunzehnjährige Simone Aubry folgte ihm, gleich einer willenlosen Aufziehpuppe.
    ***
    Die Sonne, die wie ein weißer Ball über den Horizont im Osten stieg, verwandelte die eisige Wüste in verblüffend kurzer Zeit in einen Glutofen.
    Nessim, der junge Araber, blieb stehen und löste eine breite Schärpe von seinem Gürtel, die er in mehrere Teile zerriß. Mit einem scheuen Lächeln zeigte er Nicole, wie sie sich das Tuch um

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