0053 - Eine Frau, ein Mörder und ich
wir ankamen. Vor der Auffahrt standen sechs Streifenwagen der Stadtpolizei, die aber alle halb auf dem Grünstreifen rechts und links des Weges standen, damit die Auffahrt für die Krankenwagen frei blieb.
An der Anmeldung gleich hinter der breiten Eingangstür waren drei Krankenschwestern in ein aufgeregtes Gespräch verwickelt. Da sie ihr Schalterfenster zur Anmeldung geschlossen hatten, konnten wir nicht verstehen, worüber sie sprachen. Aber ihren geröteten Gesichtern war anzusehen,- daß es sich um etwas sehr Aufregendes handeln mußte.
Ich klopfte kräftig gegen das Fenster. Eine der Schwestern warf einen kurzen Blick herüber, hatte aber keine Zeit, das Fenster zu öffnen.
Ich klopfte stärker.
Sie machte eine unwillige Geste, die wohl bedeuten sollte, ich könnte doch warten, bis sie Zeit für mich hätte.
Mir wurde es zu bunt. Ich riß die schmale Tür auf, die in das Anmeldungszimmer führte.
»Ist das hier ein Krankenhaus oder eine Klatschstube?« fragte ich.
Meine Stimme ging unter in dem Getöse dreier weiblicher Stimmen, die alle gleichzeitig durcheinander redeten. Ich brüllte meine Frage noch einmal über ihre Köpfe hinweg.
Im Nu war es totenstill.
»Wir sind Beamte der Bundespolizei«, sagte ich. »Captain Hywood von der City Police rief uns an. Wir sollten schnell ins Marmaduke-Hospital kommen. Wissen Sie, was los ist?«
Das Wort Bundespolizei hatte sichtlich Eindruck gemacht. Eine der Schwestern löste sich aus der Gruppe und sagte: »Kommen Sie mit!«
Sie führte uns einen langen Korridor entlang. Der typische Krankenhausgeruch stieg uns in die Nase. Rechts und links standen Gruppen von Leuten, die emsig miteinander debattierten. Die meisten waren im Pyjama oder in einem darüber geworfenen Morgenrock. Als sie uns kommen sahen, verstummten sie und sahen uns neugierig entgegen.
Am Ende des breiten Korridors ging nach rechts und links eine Treppe hinauf. Die Schwester führte uns links hinan. Im Flur der ersten Etage standen sechs Cops in ihren dunkelblauen Uniformen mit dem großen silbernen Dienstabzeichen der Stadt New York. Sie blickten uns finsteren Gesichtes entgegen.
»Was wollen Sie?« fragte ein Sergeant und trat uns in den Weg.
Ich hielt ihm unseren Dienstausweis hin, ohne ein Wort zu sagen.
Er salutierte und gab dann ebenfalls schweigend den Weg frei.
Vor einer Tür blieb die Schwester stehen. Sie deutete stumm mit dem Kopf auf die Tür.
Phil sah mich an.
Ich holte tief Luft.
Dann öffnete ich leise die Tür.
Es war ein gewöhnliches Krankenzimmer mit einem einzigen Bett. Neben dem Bett standen zwei uniformierte Offiziere der Stadtpolizei, die ich zwar dem Aussehen nach, aber nicht namentlich kannte. Am Fußende des Bettes ragte die massige Gestalt von Captain Hywood über das Bett heraus. Alle drei hatten ihre Mützen abgenommen.
Wir zogen unsere Hüte und traten auf Zehenspitzen leise näher.
Im Raum herrschte die Majestät des Todes.
Der Streifenbeamte Gay Lucius Brown war durch Gottes und eines genialen Arztes verzweifelte Anstrengung dem Leben zurückgegeben worden. Und hier im Krankenhaus, wenige Stunden nach der lebensgefährlichen, ungeheuer schwierigen Operation, hatte ein Gangster den Bewußtlosen, den in jeder Hinsicht wehrlosen Mann mit einer Maschinenpistole brutal ermordet.
Wir standen schweigend und sahen in das wachsblasse Gesicht unseres gefallenen Kameraden, ein unhörbares Versprechen stand im Raum.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Eine Frau kam herein. Sie hatte ihre Hände auf die Brust gepreßt. Ihr Gesicht war totenbleich und unterschied sich kaum von der Farbe des Gemordeten.
Langsam, als fürchte sie, das leiseste Geräusch könne einen Schlafenden wecken, schritt sie auf das Bett zu. Ihr Blick schnitt uns eiskalt durch die Seele.
Und plötzlich stieß sie einen gellenden Schrei aus, der uns das Blut in den Adern gerinnen ließ. Mit einem verzweifelten Schluchzen warf sie sich über den Toten und bedeckte sein Antlitz mit Küssen.
»Gay!« rief sie immer wieder. »Gay! Das ist doch nicht möglich! Gay, hörst du mich denn nicht! Gay…!«
***
»Seine Frau…«, murmelte Hywood, als wir allein draußen im Flur standen. »Sie haben zwei Kinder. Das ältere ist in der vorigen Woche zur Schule gekommen…«
Phil räusperte sich. Ihm saß irgend etwas in der Kehle.
Hywood war so leise, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Seine Hände waren geballt, und an den Knöcheln spannte sich die Haut weiß wie Schnee.
Ich zog meine
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