0055 - Die Nacht der gelben Kutten
verbunden waren.
Was wäre, wenn einer der gefürchteten Shuris in der Nähe wäre?
Wenn man seinen Ruf hören würde, könnte es um ihn und um Nicole geschehen sein. Und um den Professor auch.
Zunächst tat Shandri das einzig Richtige, was er unternehmen konnte.
So schnell der Boden es erlaubte, folgte er der Spur Nicole Duvals.
Das war nicht sehr schwierig, denn das Gelände fiel leicht ab und erlaubte dem jungen Führer einen guten Überblick.
Aber was er dann sah, verschlug ihm den Atem. Er sah noch, wie Nicole sich bückte und irgend etwas aufhob. Einmal, zweimal. Und dann hatte sie plötzlich ein Bündel von Lianen und Orchideen in der Hand.
Er wollte schon weitergehen, als er die Gestalt des gelben Mönches sah. Ihm stockte der Atem.
Gespannt sah er in die Richtung, wo das Mädchen hinter den Vorhängen aus Blüten und Lianen verschwunden war.
Von dieser Seite aus konnte er nicht erkennen, daß im Schutz des dichten Blattwerkes eine Hängebrücke verborgen war.
Und als die fremde Gestalt, die wie ein Mönch aussah, hinter dem Mädchen herging, mußte Shandri glauben, daß er Zeuge eines übernatürlichen Aktes wurde. Die beiden Gestalten schritten aufrecht mitten in den Wasserfall hinein!
Es war eine zu übermenschliche, eine dämonische Erscheinung für den Diener der Rajas. Shandri rieb sich die Augen, sah erneut hinüber zum Wasser. Es gab keinen Zweifel für ihn. Der gelbe Mönch ging mit Zamorras Sekretärin in halber Höhe des Wasserfalls mitten durch die stürzenden Fluten!
Mit einem Satz war Shandri auf dem Trampelpfad, den vor ihm Nicole Duval gegangen war. Er riß sich die Fußsohlen an dornigem Gestrüpp auf. Achtete nicht darauf. Er spürte nicht einmal den Schmerz in seinen Fußsohlen.
Aber er fühlte sich für die Sicherheit des fremden Mädchens verantwortlich! Was sollte er dem Professor sagen, wenn er ohne Nicole zurückkäme?
Wild pochte sein Herz in der aufgewühlten Brust. Shandri hatte nur ein Ziel: das Mädchen aus der Gewalt des gelben Mönches zu befreien.
Aber plötzlich war der Pfad zu Ende. Das mußte die Stelle sein, wo Nicole vor dem Mann, in dessen Gefangenschaft sie geraten war, den Weg durch den Wasserfall genommen hatte.
Shandri konnte die beiden nicht mehr sehen. Da wußte er, daß sich etwas Ungeheures abgespielt hatte. Oder noch abspielen würde.
Der Pflanzenwuchs war so dicht hier, daß Shandri nicht im entferntesten daran gedacht hätte, hier nach einer Hängebrücke zu suchen.
Und er sah auch den zweiten falschen Mönch nicht. Die Gestalt, die keine zehn Meter über ihm auf einem Felsplateau stand und ihn beobachtete.
Es war Bahili, der gräßlichste und gewalttätigste aller lebenden Sklaven des Großen Shuris.
***
Nicole ging mit schlafwandlerischer Sicherheit vor Batak her über die Hängebrücke. Noch war sie überzeugt, daß man ihre Geschichte auch dort abnehmen würde, wo der Fremde sie hinführte.
Für sie war die Unterbrechung bisher nichts als ein bedauerlicher Zeitverlust.
Und dann sah sie, wie auf das Klopfen Bataks sich eine riesige Felswand vor ihr öffnete. Eine ganze Felswand mit allen Bäumen und Büschen, die dort Wurzeln gefaßt hatten!
Dann befand sie sich in dem goldenen Gang, der ins Innere des Tempels führte.
Diesmal nahm Batak einen anderen Weg. Er stieß Nicole in den Rücken und befahl ihr, nach links zu gehen.
Nicole zählte die Schritte. Sie wollte sich jede Einzelheit merken.
Dann kam sie an eine riesige breite Treppe.
»Hinunter mit dir!« herrschte Batak sie an.
Sie mußte gehorchen. Und ging die Stufen hinunter. Viele Stufen.
Auch hier zählte sie mit. Hundert, hundertfünfzig, zweihundert Stufen. Als sie die dreihundertste Stufe hinter sich hatte, wußte sie, daß der Tempel der Gelben Furien unter dem See lag.
Ein neuer Flur tat sich vor ihr auf. Goldene Tische standen zu allen Seiten, mit ganzen Schätzen von goldenen Bechern, Ringen, Ketten und anderen Schmuckstücken beladen.
Auch hier wußte Nicole sofort, was sie vor sich hatte. Das mußte der Goldschatz des ehemaligen Königs Raja sein!
Vor ihr öffnete sich eine Tür, ohne daß Nicole jemand sehen konnte. Sie ahnte, daß alles in diesem reichen, aber fürchterlichen Tempel durch geheime Mechanismen in Bewegung gebracht wurde.
Batak stieß sie in den Raum.
Es war nicht der große Prunkraum mit dem goldenen Gong und dem Tisch, auf dem der größte Diamant, das ›Feuer des Rajas‹, lag.
Aber auch dieser Raum war von Gold und Edelsteinen
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