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0055 - Die Nacht der gelben Kutten

0055 - Die Nacht der gelben Kutten

Titel: 0055 - Die Nacht der gelben Kutten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
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überladen.
    »Stell dich dorthin!« befahl Batak, und zeigte auf eine Stelle, wo ein schwerer, lederbezogener Sessel stand.
    Sie hatte noch nicht Aufstellung genommen, als der Große Shuri eintrat. Batak brauchte ihn nicht vorzustellen. So konnte nur der Geist des Königs Shuriwatha aussehen. So stolz, so grimmig, so unbarmherzig konnte nur der Beherrscher der Gelben Furien selbst aussehen!
    »Wer ist das?« forschte der Große Shuri.
    »Ich habe das Mädchen bei der Brücke überrascht«, antwortete Batak. »Sie sagt, daß sie die Sekretärin eines europäischen Wissenschaftlers ist. Und ich glaube ihr fast, Herr. Sie kennt jede Blume mit ihren zwei Namen, und es ist ganz erstaunlich.«
    »Wie heißt du?« fragte der Shuri Nicole.
    »Florence«, sagte das Mädchen schnell. »Florence Colnic, hoher Herr.«
    Den Namen Zamorras und ihren eigenen durfte sie auf keinen Fall preisgeben, das wußte sie. Der Professor war viel zu berühmt, und andererseits viel zu sehr gefürchtet, als daß man hier etwas von ihm hören durfte.
    Dem Großen Shuri gefiel es in seiner Eitelkeit, daß Nicole ihn mit ›Hoher Herr‹ anredete.
    »Wo ist dieser Professor, und wie heißt er?« verlangte der Geist der Shuris zu wissen.
    »Sein Name ist Alonso Mompou«, gab Nicole Auskunft. »Wir haben uns im Wald verloren, als wir nach fremdartigen Blumen und Gräsern suchten.«
    »Ich bin wie Batak versucht, dir zu glauben, Florence Colnic«, meinte der Große Shuri. »Aber dies ist ein geheimer Tempel, und wer ihn betritt, oder wer nur weiß, wo er liegt, muß getötet werden. Glaubst du, daß du die Stelle wiederfinden wirst, wo Batak dich gefunden hat?«
    »Ich bin nicht sicher«, sagte Nicole.
    »Und versprichst du mir, dem König der Shuris, daß du nie wieder dorthin gehen wirst?«
    »Ich verspreche es«, sagte Nicole.
    »Gut«, sagte der Shuri. »Dann wird dich Batak mit verbundenen Augen aus dem Tempel führen. Es gibt einen zweiten Ausgang unter dem Wasser. Du wirst ihn nie wiederfinden. Aber du bist nicht eine der verhaßten Tamilentöchter. Dein Körper oder auch dein Leben und Tod reizen mich nicht. Du sollst frei sein. Batak wird dich hinausführen.«
    Nicole atmete auf. Die Rache des Großen Shuris schien sich wirklich nur gegen die Nachkommen der Tamilen zu richten.
    Schon war Batak mit ihr an der Tür, als diese von außen geöffnet wurde.
    »Halte diese Hündin zurück!« schrie der Mann, der hereinstürzte, dem Großen Shuri zu.
    Dann ergriff er Nicole bei den Haaren und zerrte sie so brutal vor seinen Herrscher, daß sie von der Wucht des Schleudergriffes in die Knie ging.
    ***
    »Was ist mit dir, Bahili?« fragte der Herrscher der Gelben Furien.
    »Sie lügt, hoher Herr!« sagte der Schächer atemlos. »Denn sie ist nicht allein bei der Brücke gewesen.«
    »Was sagst du da?«
    »Es war ein Mann dabei, mein König.«
    »Ein Mann? Ich weiß es, Bahili. Sie hat es gestanden. Er ist Professor und Naturwissenschaftler. Er hat nichts mit den Tamilen zu tun.«
    »Und warum ist es dann ein Tamile, mit dem sie bei der Brücke war?« fragte der Sklave und blitzte Nicole triumphierend an.
    »Sprich deutlicher«, forderte der Shuri ihn auf.
    »Ein Tamile, sage ich, Großer Shuri. Und wenn du seinen Namen hörst und den Namen seines Herrn, wirst du wissen, wie gefährlich dieses Mädchen hier ist.«
    »Sag den Namen«, befahl der Shuri.
    »Er ist ein junger Mann und heißt Shandri. Und er ist der Diener eines Mannes, der gleich hinter Mihintale wohnt. Der Herr des Dieners aber heißt Raja, und er ist der Sohn vom Sohn des Tamilenkö- nigs.«
    Nicole sah, wie tödliche Wut in die Augen des Shuris trat.
    »Was hast du zu sagen, Fremde?« herrschte er sie an.
    »Nicht viel«, sagte Nicole. »Ich sagte dir, daß mein Herr ein Professor ist und Alonso Mompou heißt. Diesen Tamilen, wie er auch heißen mag, kenne ich nicht.«
    »Sie lügt, Großer Shuri« schrie der Sklave Bahili los. »Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie sie mit Shandri den Regenwald heraufgekommen ist. Ich sage dir, daß sie nach unserem Tempel gesucht hat.«
    Wutentbrannt wollte sich der Shuri auf das Mädchen stürzen. Er hatte den Arm schon gehoben und zum Schlag ausgeholt.
    Darin entsann er sich einer anderen Methode. »Ich vergreife mich nicht an einer Europäerin«, sagte er verächtlich. »Aber du, Lügnerin, wirst sterben, ob du die Wahrheit gesprochen oder gelogen hast. Nur wirst du vorher noch spüren, was es heißt, den König der Shuris zu belügen.

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