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0055 - Die Nacht der gelben Kutten

0055 - Die Nacht der gelben Kutten

Titel: 0055 - Die Nacht der gelben Kutten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
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Größe und Beschaffenheit ihres Kerkers Gewißheit zu verschaffen. Zunächst fand sie nicht viel. Nasse Wände, klebrige Pflanzen und Farne, Stein an Stein.
    Aber dann hörte sie etwas. Ganz leise zuerst, aber deutlich. Das mußte der Wasserfall sein! Da wurde ihr klar, daß es zwar keinen Ausweg für sie gab, kein Entrinnen aus diesem kühlen, finsteren Gewölbe aus Stein und Feuchtigkeit.
    Aber wenn sie etwas hören konnte, konnten die Wände nicht allzu dick sein! Oder aber, was noch besser war, es mußte eine Öffnung geben, durch welche die Luft eintreten und entweichen konnte!
    Schon in dem prächtigen Saal, wo sie dem Shuri und dann dem Sklaven Bahili gegenübergetreten hatte, war sie verwundert gewesen, daß die vielen Fackeln so gleichmäßig brennen konnten. Es mußte also eine Luftzufuhr geben! Ohne Sauerstoff brennt kein Feuer, dachte Nicole. Ein feines, ausgeklügeltes System von Belüftung!
    Das war die Antwort!
    Nicole verlor keine Sekunde. Sie stellte sich so, daß ihr Rufen die Schallwellen durch die kleine schmale Öffnung tragen mußte, die sie hinter einem schwachen hellen Streifen im Gestein erkannte.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, formte die Hände zu einem Trichter vor ihrem Mund.
    »Hört mich jemand?« rief sie. Sie mußte mehrmals rufen.
    »Kann mich niemand hören?« schrie sie aus Leibeskräften.
    Und dann kam wirklich eine Antwort. Wie von ganz weit. Aber es war eine Antwort. »Ich bin neben dir«, sagte eine Mädchenstimme.
    »Wer bist du? Verstehst du mich?« fragte Nicole auf Englisch.
    »Ich verstehe dich«, kam die Antwort. »Ich bin Sita, und man hält mich gefangen wie dich. Du bist im Verlies, nicht wahr?«
    »Ja«, rief Nicole hinaus. »Es ist ein dunkler, feuchter Raum aus Felsen.«
    »Das ist der Kerker«, kam die Stimme des anderen Mädchens. »Du bist ihnen zu gefährlich. Bist du das Mädchen, das Bahili erwürgt hat?«
    »Ja«, sagte Nicole.
    »Ich habe es gesehen. Wir sind die Tänzerinnen im Tempel. Wir konnten es beobachten. Batak wollte uns zeigen, wie der Sklave dich überwindet und schändet.«
    »Weißt du, wie man das Tor öffnet?« fragte Nicole schnell.
    »Nein«, kam Sitas Stimme.
    »Ich weiß es«, sagte Nicole. »Aber ich weiß nicht, wie man an den Hebel kommt.«
    »Du weißt, wo der Mechanismus ist?« fragte Sita.
    »Ich habe ihn gesehen, als drei der Wächter hereinkamen«, erklärte Nicole.
    »Du mußt es mir genau beschreiben«, sagte Sita.
    »Glaubst du denn, daß du an den geheimen Hebel herankommst?« fragte Nicole verwundert.
    »Ich glaube schon«, sagte Sita. »Ich muß das alles genau überlegen. Aber ich glaube, es gibt einen Weg. Er erfordert viel List, und er ist nicht ungefährlich. Aber ich werde alles versuchen. Es sind noch zwei Schwestern von mir im Tempel gefangen.«
    »Ich weiß«, sagte Nicole. »Siri und Manika, nicht wahr?«
    Ein Schweigen von Sekunden.
    »Wenn du ihre Namen kennst, gehörst du entweder zu den Gelben Furien und willst mich aushorchen…«
    »Oder ich war unterwegs, um auszukundschaften, wie man euch befreien kann«, sagte Nicole.
    Wieder das sekundenlange Schweigen.
    »Wie heißt du?« fragte Sita dann.
    »Nicole«, gab Zamorras Freundin Auskunft.
    »Und kannst du mir irgendetwas sagen, damit ich glaube, daß du auf meiner Seite bist?«
    Nicole überlegte. Welchen Beweis sollte die Fremde von ihr annehmen?
    »Doch«, sagte sie dann. »Ich werde dir den Namen des jungen Mannes sagen, der mich auf den Berg und in die Nähe des Wasserfalls geführt hat.«
    »Sag mir den Namen«, bat Sita.
    »Er ist sechzehn Jahre alt, aber er ist stolz und stark und mutig wie der Leopard in den Wäldern. Sein Name ist Shandri, und er ist der Diener deines Vaters Raja.«
    Diesmal dauerte das Schweigen nicht so lange.
    »Ich glaube dir, Nicole«, kam Sitas Stimme durch die kleine Öffnung in der Wand des steinernen Verlieses. »Und ich werde dir nun sagen, wie ich versuchen werde, von hier zu entfliehen.«
    ***
    Shandri war untröstlich darüber, daß Nicole in die Gewalt der Shuris gekommen war. Er gab sich allein die Schuld an der Entführung des Mädchens.
    Zamorra versuchte ihn zu beruhigen.
    »Wir dürfen nicht mehr an das denken, was geschehen ist«, sagte er. »So tragisch es auch ist. Wir haben andere Aufgaben. Das Gebiet der Hängebrücke müssen wir jedenfalls verlassen. Ich bin sicher, daß wir beobachtet wurden. Und es wird den Dämonen nicht einfallen, jetzt das Tor zum Felsen für uns zu öffnen. Ich bin aber sicher,

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