0055 - Die Nacht der gelben Kutten
unzugänglichen Gelände war er zu suchen?
Zamorra war sich wirklich im klaren, daß die Lösung dieses Falles ihn länger beschäftigen würde als er angenommen hatte. Es gab zu wenige Hinweise über die Art und Weise, wie die Gelben Furien ihren Tempel ausgestattet hatten, wie groß er war, und wieviele Geister und Lebende im Innern des Berges wohnten.
Zamorra dachte auch an die Möglichkeit, daß der Tempel sich in seiner vollen Größe unter dem Wasser befinden könnte. Aber dann müßten alle Zu- und Ausgänge zu ebener Erde liegen. Und für so leichtsinnig durfte er keinen der gefährlichen Geister halten.
Zamorras Aufgabe wurde durch den Umstand erschwert, daß praktisch der ganze Berg neben dem See den Furien als Behausung dienen konnte. Aber er mußte mit seiner Suche beginnen. Ganz systematisch mußte er jeden kleinsten Pfad, jeden Busch, jeden Felsbrocken untersuchen. Meter um Meter hatte er seine ganze Aufmerksamkeit den Spuren der Shuris zu widmen.
Fürs erste war ihm klar, daß sich Nicole in einiger Sicherheit befand. Auch wenn sie die Gefangene der Shuris war. Aber sein Kraftstrom mußte den Furien gezeigt haben, welch übernatürlicher Kräfte auch sie als junges Mädchen fähig war. Langsam tastete sich Zamorra in die Schlucht neben dem Wasserfall hinein.
Steine rollten unter seinen Schuhsohlen weg. Dornige Äste rissen und kratzten an seinem Kakhianzug. Erbarmungslos brannte die sommerliche Sonne über ihm wie über dem brodelnden Dschungel.
Besonders mußte Zamorra auf Schlangen achten. Er trug zwar immer ein Serum bei sich, mit dem er sich notfalls gegen eine giftige Infektion schützen konnte. Trotzdem konnte ein Schlangenbiß, auch wenn er nicht tödlich war, ihn für kurze Zeit lähmen und außer Gefecht setzen.
Aber Zamorra mußte fähig sein, dauernd im Einsatz zu bleiben. Er durfte keine Stunde, keine Minute verlieren. Er war sich im klaren darüber, daß er es nicht mit einem einzelnen Dämonen, sondern mit einer Unzahl von geisterhaften Gegnern zu tun bekommen würde.
Er hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er etwa hundert Meter vor sich eine Bewegung sah.
Schnell verbarg er sich hinter einem Gestrüpp.
Dann bog er die Zweige vorsichtig zur Seite.
Die Erscheinung dort unten war einer der falschen gelben Mönche!
Wenn er ihn erreichen und ihn unschädlich machen könnte, hätte er viel gewonnen. Er könnte ihn als eine Art Geisel benutzen und gegen den Großen Shuri ausspielen. Und er könnte versuchen, die Antwort auf seine brennendste Frage zu bekommen: die Frage nach dem zweiten Zugang zum Tempel.
Die Gestalt, die sich jetzt etwa zwanzig Meter unter ihm in einer Entfernung von zwei – bis dreihundert Schritt bewegte, schien völlig arglos und sicher zu sein. Sie rechnete mit keinem Fremden in der Welt der Berge.
So schnell es ging, pirschte Zamorra sich voran.
Er ging ein paar Schritte, blieb stehen und beobachtete den anderen. Der Fremde ging jetzt direkt auf den Wasserfall zu.
Es schien Zamorra unmöglich, daß er ihn vor dem Betreten des Wasserfalls erreichen konnte. Der Felsen war zu steil, um schnell voranzukommen.
Und plötzlich sah Zamorra das, was ihm schon Shandri berichtet hatte.
Der gelbe Mönch schien aufrecht und ohne zu schwanken in den Wasserfall hineinzugehen!
Natürlich konnte das eine optische Täuschung sein. Aber Zamorra mußte herausfinden, was hinter diesem Geheimnis steckte.
Er nahm keine Rücksicht und ließ jetzt alle Vorsicht fahren. Mit kühnen Sätzen preschte er das letzte Stück des felsigen Pfades hinunter, bis er an der Stelle stand, wo er die Gestalt des Fremden zuletzt gesehen hatte. Er sah ihn nicht mehr. Es war, als wäre nie jemand hier gewesen. Die Gestalt des gelben Mönches war wie vom Erdboden verschwunden!
Sorgfältig untersuchte Zamorra den Boden nach Abdrücken. Das war auf dem Felsgestein nicht möglich. Nur auf der einen Seite fand er eine winzige Spur. Ein paar Eindrücke von leichten Schuhen.
Zamorra nahm an, daß sie von den Sandalen des falschen Mönches herrührten.
Aber die kleine Spur hörte auf, noch bevor sie an den Rand des Wasserfalls führte.
Zamorra biß die Zähne aufeinander. Er spürte, daß er nicht weit vom zweiten Eingang des Tempels entfernt war!
Aber der Dschungel war undurchdringlich an dieser Stelle. Direkt am Rande standen ein paar kräftige Palmyrapalmen, deren hellgrüne Wedel fast waagerecht in die Luft standen.
Das Strauchwerk unter den Palmen war zu dicht, als daß
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