0056 - Das Ungeheuer von Loch Morar
Monster. Widerliche Kreaturen. Höllenwesen, lebende Leichen, was weiß ich noch alles.« Bob McClure schaute auf. »Jetzt wissen Sie die Wahrheit, Bill. Ich habe nichts hinzugefügt und auch nichts verschwiegen. So ist es geschehen. Sie können mich jetzt für einen Spinner halten, Bill, aber was ich Ihnen gesagt habe, ist nichts als die Wahrheit. Es gibt diese Monster tatsächlich.«
Bill Conolly schaute den jungen Mann ernst an. »Ich glaube Ihnen, Bob.«
»Wie? Sie…«
»Ja.«
»Aber wieso?« Der junge Mann setzte sich überrascht zurück. »Welch eine Veranlassung haben Sie, mir zu glauben? Warum lachen Sie mich nicht aus, wie die anderen es tun würden?«
»Weil ich mich mit diesen Dingen beschäftige.«
»Sind Sie Detektiv?«
Bill lachte. »Nein, Reporter, aber hin und wieder arbeite ich mit einem sehr guten Freund zusammen, der Oberinspektor bei Scotland Yard ist und sich nur mit Fällen beschäftigt, die ins Reich des Übernatürlichen hineinspielen. Ich habe schon Dämonen gegenübergestanden. Ich habe bereits Vampire, Werwölfe und lebende Mumien gesehen. Deshalb sind Ihre Worte bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen.«
Der junge Mann staunte immer noch. Er schüttelte den Kopf, als könnte er das alles nicht begreifen. »Wenn das so ist, dann würden Sie mir unter Umständen helfen können, meinen Freund…«
Bill ließ Bob McClure gar nicht erst ausreden. »Ich würde Ihnen nicht nur unter Umständen helfen, ich helfe Ihnen sogar ganz bestimmt. Es ist gewissermaßen meine Pflicht. Und nicht nur ich werde Ihnen zur Seite stehen, sondern auch mein Freund aus London, Oberinspektor John Sinclair.«
»Sie wollen ihn anrufen?«
»Ja. Noch heute.« Bill Conolly schlug dem jungen Mann auf die Schulter. »Wäre doch gelacht, wenn wir dem Spuk nicht ein Ende bereiten könnten.«
Bob war skeptisch. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber da ist noch etwas.«
»Was denn?«
»Das Rennen. Morgen finden die ersten Läufe statt…«
***
Marion Mitchell wohnte in einem schmalbrüstigen Haus am Berghang, etwas oberhalb des Dorfes. Um zur Haustür zu gelangen, musste man eine an der Außenwand entlangführende Steintreppe hochsteigen. Über der Tür befand sich ein Regenschutz.
Eine Klingel gab es nicht, obwohl elektrischer Strom vorhanden war. In der Türmitte hing der altmodische Klopfer, den Bob McClure jetzt betätigte. Dumpf hallten die Schläge durch das Haus.
»Moment!«, rief eine weibliche Stimme. »Ich komme schon.«
Bob blieb stehen und hörte gleich darauf die sich der Tür nähernden Schritte. Drei Atemzüge später stand der Student Marion Mitchells Mutter gegenüber. Die Frau mit den streng zurückgekämmten Haaren lächelte den jungen Mann an. Sie kannte ihn von Kindheit auf. »Du wolltest zu Mari?«
»Ja.«
»Tritt ein, Bob.« Sie gab die Tür frei.
Bob McClure schritt an der Frau vorbei und betrat die Wohnung. Ein enger Flur nahm ihn auf. Links führte eine schmale Treppe hoch in das obere Stockwerk. Dort hatte Marion ihre beiden Zimmer.
Das Mädchen stand schon auf dem Treppenabsatz. »Ich habe es klingeln gehört«, sagte sie. »Ich freue mich, dass du da bist.«
Bob ging ihr entgegen und reichte ihr die Hand.
»Wir gehen dann in mein Zimmer, Ma«, sagte Marion.
»Gut.«
Der Student lächelte. »Mich wundert es, dass deine Mutter nichts dagegen hat.«
»Warum sollte sie? Ich bin alt genug und muss wissen, was ich tue. Oder nicht?«
»Doch, doch«, beeilte sich Bob zu versichern.
Das Mädchen führte seinen Gast in das Zimmer. Obwohl es in der ersten Etage lag, konnte man vom Fenster aus nicht in die Tiefe schauen, sondern gegen den Berghang, an dem sich ein schmaler Pfad entlang schlängelte. Der Weg verschwand dann zwischen knorrigen, alten Tannen. Es war eine romantische Gegend, in der Marion wohnte.
Sie machte Licht.
Überraschend modern war ihr Zimmer eingerichtet. Der junge Mann bemerkte dies mit Erstaunen.
»Was hast du denn erwartet?«, fragte Marion. Auch sie war nicht gerade wie eine alte Jungfer gekleidet. Enge Jeans, ein locker fallender Pullover und ein knallrotes Tuch um den Kopf.
Sie deutete auf einen Holzsessel mit Lederüberzug. »Setz dich doch, Bob. Möchtest du was trinken?«
Bob zog seinen Parka aus. »Wenn du einen Whisky hast…?«
»Natürlich.«
Das Mädchen nahm Orangensaft.
Nachdem sie getrunken hatten, saßen sie sich gegenüber, schauten sich an, und keiner wusste so recht, was er sagen sollte.
»Vielleicht lebt Dan doch noch«, meinte
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