0056 - Das Ungeheuer von Loch Morar
bemerkte er, dass sich der kleine Zeiger auf die Zehn zubewegte.
Bill zog andere Sachen an, ging gedankenverloren zum Fenster und blickte hinaus.
Ruhig sah er den See vor sich liegen. Mit kleinen, weißen Schaumkronen versehen liefen die Wellen auf dem Strand aus. Am anderen Ufer funkelten die Lichter einer kleinen Ortschaft.
Menschenleer war der Strand.
Wirklich so leer?
Bill Conolly schaute genauer hin und sah plötzlich die Gestalt, die sich parallel zur Seite hin bewegte. Der Mann ging mit seltsam steifen Schritten, und Bill erkannte, dass er etwas auf dem Arm trug.
Es sah aus wie ein Mensch…
Das Misstrauen des Reporters war erwacht.
Jetzt schlug der Kerl den Weg nach links ein, direkt zum Wasser hin. Wollte er in den See?
Dem Reporter war die ganze Sache nicht geheuer. Er spürte plötzlich, dass sich etwas anbahnte. Sein Verdacht wurde in den nächsten Sekunden bestätigt.
Ein zweiter Mann tauchte auf.
Er kam von der Stadt her und stolperte mehr, als dass er ging. Bill kannte den jungen Mann.
»Aber das ist doch…«, sagte er. Mehr nicht, denn da hörte Bill den gellenden Schrei, den der junge Student ausstieß.
Jetzt wusste der Reporter mit letzter Sicherheit, dass sich dort unten am Strand ein Drama anbahnte.
Für Bill gab es kein Halten mehr. Er zögerte nicht eine Sekunde länger, rannte zur Tür, riss sie auf und stürzte aus dem Zimmer. Dabei stieß er sich die rechte Schulter.
Der Reporter nahm die Treppe mit einem einzigen Satz. Es polterte, als er auf dem Absatz landete. Weiter ging es. Selten war Bill Conolly so rasch eine Treppe hinuntergelaufen.
Dann stand er vor der Haustür und riss sie auf. Bill war es egal, was die Leute dachten, als er nach draußen stürmte und über die Straße rannte. Es ging jetzt um Menschenleben, das fühlte er instinktiv.
Unterhalb der Straße lag der Strand. Der Reporter musste über eine Steinmauer hinwegsetzen, um dorthin zu gelangen. Der Strand lag ungefähr zwei Yards tiefer, doch der sportlich durchtrainierte Reporter schaffte dies mit einer nahezu spielerisch anmutenden Leichtigkeit.
Mit großen Schritten sprintete er über den Kies. Er lief erst gar nicht auf Bob McClure zu, der von der linken Seite her auf ihn zu taumelte. Bill machte sich an die Verfolgung des Mannes.
Und der stand bereits bis zu den Hüften im Wasser. Der See war an diesem Uferstreifen ziemlich flach, man konnte vom Strand aus weit hineinlaufen. Ein Vorteil für die Kinder, aber auch für Bill Conolly. Der Reporter wusste auch, dass an der Nordseite des Sees überhaupt kein Strand zu finden war. Dort ragten schroffe und hohe Felsen aus dem Wasser.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass der junge Student stolperte und lang hinfiel. Er konnte kaum aufstehen, so schwach war er.
Bill jedoch nicht. Er holte auf.
Schon klatschten seine Füße durch das Wasser. Die Spitzen schleuderten regelrechte Fontänen hoch, und je weiter Bill Conolly lief, umso schwerer kam er voran. Das tiefer werdende Wasser behinderte ihn doch zu sehr.
Der Reporter verfluchte es jetzt, dass er keine Waffe mitgenommen hatte. Er musste seinem Gegner mit bloßen Fäusten gegenübertreten. Und das war hart. Wie ein Scherenschnitt hob sich die Gestalt des Kerls vor ihm ab. Bei jedem seiner Schritte schaukelte der Körper der Frau hin und her. Bill sah es an den Pendelbewegungen der Arme.
»Stehen bleiben!«, brüllte er dem Kerl zu.
Der ging weiter.
Bill legte noch mehr zu. Er hüpfte jetzt, was sich abermals als schwierig erwies, denn der Grund war seicht und voller Schlick und Matsch.
Doch Bill holte auf.
Noch zehn Yards höchstens trennten ihn von dem Mann. Und genau in diesem Moment erwachte Marion Mitchell aus ihrer Bewusstlosigkeit.
Sie schrie!
Der Schrei fuhr nicht nur Bill Conolly durch Mark und Bein, sondern auch dem Entführer.
Unwillkürlich blieb er stehen. Für Bill Conolly war es die große Chance. Er holte rasch auf und stieß sich dann ab.
Mit voller Wucht prallte Bill Conolly gegen den Rücken des Mannes, der damit nicht gerechnet hatte und nach vorn gedroschen wurde. Sofort schlugen die Wellen über ihm zusammen. Aber auch das Mädchen war verschwunden. Bill warf sich sofort herum, sah ihren Kopf auftauchen und packte blitzschnell einen von Marions Armen.
»Verschwinden Sie!«, schrie er das Girl an. Mehr konnte er nicht sagen, denn sein Gegner war wieder aufgetaucht. Sie standen sich gegenüber.
Bill hielt den Atem an.
Er sah in das Gesicht des Monsters. Grünbläulich
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