0056 - Die Teufelshöhle
Professor.
»Die Palmyrapalme neben dem Wasserfall. Sie steht ganz dicht am Felsen. Shandri wird hinaufklettern. Dann springt er aus der Krone auf den Felsen. Es sind nur wenige Meter bis zum Eingang.«
»Es ist gefährlich, Shandri. Du könntest abstürzen.«
»Shandri kann nicht abstürzen, Sir. Shandri klettert wie eine Bergkatze.«
Zamorra musste lächeln. Er erinnerte sich, wie der junge Tamile vor ihm am Felsen zu Nicoles Verlies hochgeklettert war.
»Gut«, sagte er dann. »Versuche es.«
Shandri eilte davon. Sekunden später hangelte er sich bereits an dem schlanken Stamm der Palme hoch. Schon hatte er die Spitze erreicht.
Zamorra sah ihm neidlos und bewundernd zu.
Jetzt setzte der Tamile zum Sprung an. Seine Füße fanden Halt auf dem höchsten, seitlich wegstehenden Palmwedel. Shandri machte sich so leicht wie möglich.
Dann kam der Sprung. Ein tollkühner Sprung, der ihn über zwei Meter durch die Luft führte. Und dann stand er an den Felsen geklammert. Wie mit dem uralten, reglosen Stein verwachsen.
Aber schon kletterte er seitlich weiter. Noch zehn Sekunden, noch zwanzig Sekunden.
Dann hatte er den Eingang zum Schacht erreicht.
Es dauerte keine Minute, bis Zamorra ein Bündel von Stricken und Hölzern aus dem Eingang fliegen sah. Eine Strickleiter!
Der Professor hatte also richtig vermutet!
Kurz darauf sah er Shandri wieder im Eingang erscheinen. Er setzte seinen rechten Fuß auf die oberste Sprosse der Leiter. Dann kletterte er herab.
Schon hatte er wieder festen Boden unter den Füßen.
»Du bist ein unbezahlbarer Helfer«, lobte ihn Zamorra.
»Danke, Sir. Es war nicht schwer. Die Leiter lag aufgewickelt und gesichert gleich hinter dem Eingang. Das Ende ist mit einem Stahlbolzen in den Felsen eingelassen.«
»Gut, Shandri. Ich werde den Schacht jetzt untersuchen und vielleicht einen Teil des Tempels ausfindig machen. Wenn ich in Gefahr komme, werde ich drei Pistolenschüsse abgeben. Kurz hintereinander. Aber wenn du hier unten in Gefahr kommst, darfst du nicht schießen. Es würde die Furien nur auf uns aufmerksam machen.«
»Shandri weiß«, sagte der Tamile bescheiden. »Keine Gefahr, Sir. Wenn Shandri etwas sieht, wird er dreimal brüllen. Wie der Leopard.«
»In Ordnung, Shandri. Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, wirst du zurückgehen und bei der Miss Wache halten. Allein kannst du dich nicht in den Tempel wagen.«
»Und was soll ich dann tun, wenn man Sie überrascht, Sir?«
»Dann wirst du warten müssen, bis mir etwas einfällt. Wo die Verliese liegen, weißt du ja. Aber ich bin sicher, dass mir nichts geschehen wird. Ich glaube nicht, dass der Schacht bewacht wird. Denn das Fest im Tempel ist bestimmt in vollem Gange.«
»Shandri wartet«, sagte der junge Tamile. Dann machte sich Zamorra an sein nächstes Abenteuer und kletterte behände die Strickleiter hoch.
Bald war er im dunklen Eingang des Schachtes verschwunden.
***
Zwei volle Stunden dauerte bereits das Festmahl im Tempel der Shuris und der Gelben Furien.
Die weiblichen unter den Furien hatten für das leibliche Wohl ihrer Herrscher und Geister zu sorgen.
Immer neue Tabletts mit köstlichen Speisen wurden in den Prunkraum des Tempels getragen, wo zwei lange Tische als Festtafeln aufgestellt waren.
Goldene Tabletts mit Fleischspeisen, mit Wild und Fisch und Geflügel machten die Runde. Schwere Platten mit den auserlesensten Früchten. Mit Feigen und Datteln und dem aromatischen Fruchtfleisch von Mangos und Bananen.
Frische Ananasfrüchte, halb geschält, standen zwischen goldenen und silbernen Tellern und Schüsseln und den funkelnden Pokalen, in denen der bernsteinfarbene Palmwein glänzte.
Der Schein von über hundert Fackeln brach sich an den Wänden aus purem Gold. Zitternd gingen die Lichtstrahlen durch Gläser, huschten gespenstisch durch den weiten Raum, tauchten alles in gleißende Helle.
Jetzt machte der Große Shuri ein Handzeichen.
Sofort mussten alle, die Shuris wie die Furien und die Tanzmädchen der Tamilen, das Festmahl beenden. Sobald der Große Shuri, der Geist ihres Königs, den letzten Bissen zu sich nahm, durfte keiner der Anwesenden weiteressen.
Auf ein zweites Handzeichen des Großen Shuri erhob sich Tivu, der neue Anführer der Furien.
Tivu trat vor den mächtigen Gong auf dem Marmortisch. Mit einem Schlegel aus reinstem Elfenbein schlug er dreimal dagegen.
Das war das Zeichen für die weiblichen Furien. Sie mussten die Tänzerinnen vor den Großen Shuri
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