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0057 - Der Höllenschlund

0057 - Der Höllenschlund

Titel: 0057 - Der Höllenschlund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hrdinka
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Unterbewusstsein rollte das Geschehen immer wieder wie in einem Film ab.
    Als der Professor vor einigen Jahren in Pension ging, kaufte er sich in Wilbury das kleine Häuschen, um hier mit seiner Frau den Lebensabend zu verbringen.
    Seit dem Tod seines Sohnes jedoch war der Gelehrte gebrochen.
    Man sah ihn nur noch selten lächeln oder gar lachen.
    Vor knapp einem Jahr verlor er dann auch noch seine Frau. Barrow wusste schon seit längerer Zeit, dass seine Gattin an Krebs erkrankt und unheilbar war. Er tat alles, um ihr die letzten Tage ihres Lebens zu verschönern.
    Der Tod seiner geliebten Frau, mit der er seit über vierzig Jahren verheiratet gewesen war, gab ihm den Rest.
    Im ersten Augenblick dachte er daran, sich das Leben zu nehmen.
    Er sperrte sich tagelang in seinem Haus ein, aß und trank nichts, oder sehr wenig, verwahrloste.
    Für Jonathan Barrow hatte das Leben keinen Sinn mehr, bis zu der Stunde, wo er sich damit zu beschäftigen begann, parapsychologische Bücher zu lesen und zu studieren.
    Sein Haus hatte sich in der Zwischenzeit in eine Bibliothek verwandelt. Niemand im Dorf wusste davon. Und das war gut so!
    Er verrammelte die Fenster mit altem Gerümpel, um seine Zimmer vor den neugierigen Blicken der Dörfler zu schützen, die ihn für einen vergrämten, närrischen Alten hielten, der sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatte, weil er die Welt nicht mehr verstehen wollte.
    Jonathan Barrows Bücher über Psychologie und Parapsychologie hatten ihm die feste Überzeugung gegeben, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als die Schulweisheit lehrt.
    Er hatte jedes der Werke, meist von anerkannten, namhaften Autoren, tagelang studiert, ja er kannte sie fast auswendig!
    Sein ganzes Schaffen hatte nur einen Zweck, er wollte mit seinem toten Sohn und seiner verstorbenen Frau in Kontakt treten.
    Sein größter Wunsch jedoch wäre es gewesen, beide auf die Erde zurückzuholen.
    Tatsächlich war es ihm bereits gelungen, nach stundenlangen Meditationen und geheimnisvollen Beschwörungen mit seiner Frau Kontakt aufzunehmen, oder war es sein Sohn, der ihm die Hand mit dem Filzstift über das Papier führte, wenn er tief in Trance versunken war, bevor er in eine lange Ohnmacht fiel?
    Als er dann wieder zu sich gekommen war, las er die eckigen Buchstaben, die auf dem schmuddeligen Zettel ungelenk geschrieben standen, formierte sie zu einem Wort, einem Satz.
    Grab mich aus!
    Diese Botschaft gab dem Alten neuen Auftrieb. Vielleicht war es möglich, seine Familie wieder auf die Erde zurückzuholen.
    Der komische Professor lachte wirr auf, als er mit einem Fußtritt das morsche Friedhofstor aufstieß. Er marschierte hastig auf eines der Gräber zu, auf dem in großen verwaschenen Lettern die Namen seiner Frau und seines verunglückten Sohnes, sowie deren Geburtsdaten und Todestage zu lesen waren.
    Jonathan begann wie von Sinnen das matschige, vom Regen aufgeweichte Erdreich wegzuschaufeln. Schon nach wenigen Minuten begann der Alte zu schwitzen und zu keuchen.
    Trotz des kalten, feuchten Wetters war ihm mit einemmal siedend heiß.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Spaten auf das bereits teilweise verfaulte Holz des ersten Sarges stieß.
    Jonathan Barrow grub wie besessen weiter.
    Der Regen wurde stärker, durchnässte das Gewand des Professors.
    Aber das machte ihm nicht das Geringste aus.
    Als er endlich den Sarg bloßgelegt hatte, buddelte er mit den Händen weiter, bis er auf das Skelett von Ethel stieß. Er nahm die Knochenreste heraus, packte sie in einen großen Sack, den er daraufhin schnell zuschnürte, so als hätte er Angst, das Gerippe könnte ihm entfliehen.
    Barrows Taschenlampe, die er zuvor angeknipst und auf den Grabstein gelegt hatte, beleuchtete eine gespenstische Szene.
    Barrow arbeitete wie besessen weiter. Er wollte auch die Überreste seines Sohnes Charles ausgraben. Wieder schaufelte er das weiche Erdreich beiseite, bis er endlich das Gesuchte fand. Auch Charles’
    Knochen verstaute er in einem Sack, bevor er sich daran machte, das Grab wieder zu schließen.
    Dichter Nebel kam auf, der vom heulenden Sturm in dünne, wabernde Schleier zerrissen wurde.
    Irgendwo auf einem Friedhofsbaum musste ein Käuzchen sitzen, das klagend aufheulte.
    Barrow zuckte dann jedes Mal zusammen, hielt den Atem an.
    Niemand durfte ihn hier sehen!
    Keuchend wischte er über die nassen Haare, richtete sich für einige Sekunden auf, um tief Luft zu holen.
    Der Sturm rüttelte an den kahlen Asten der

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