0057 - Der Höllenschlund
Ich weiß nicht, was es ist, aber irgend etwas liegt in der Luft, drohend wie eine Gefahr!«
***
Willy verließ fünfzehn Minuten vor acht Uhr das Haus am Ortsrand von Wilbury, das keine fünfzig Yards vom Hause des Professors entfernt lag.
Der Schüler hatte vor, heute den Unterricht zu schwänzen. Willy tat das sonst nie, aber heute musste er es einfach tun. Seine kindliche Neugier ließ ihn seit der vergangenen Nacht nicht mehr zur Ruhe kommen.
Was war in Barrows Haus geschehen?
Willy kannte den komischen, alten Kauz, der sich in seine vier Wände zurückgezogen hatte und nur sehr selten auf der Straße zu sehen war. Manche Dörfler bezeichneten ihn sogar scherzhaft als Hexer.
Sollte etwas Wahres an dem Gerücht sein?
Der Junge konnte für das geheimnisvolle Geschehen der letzten Nacht einfach keine vernünftige Erklärung finden.
Was trieb der Alte in seiner Hütte?
Willy musste auf diese Frage eine Antwort finden. Er blickte sich noch einmal zum väterlichen Haus um, und winkte seiner Mutter, die ihm mit sorgenvoller Miene nachblickte.
Wenig später war er hinter Barrows Haus untergetaucht.
Vorsichtig spähte er zurück. Martha Coburn war vom Fenster verschwunden.
Willy atmete auf.
Er umrundete neugierig das abgezäunte Grundstück des Professors.
Im Haus regte sich nichts. Es schien niemand da zu sein. Hastig kletterte der Junge über den hohen Gitterzaun, ließ sich auf der anderen Seite in das hohe, struppige Gras gleiten.
Plötzlich spürte er wieder das gleiche Angstgefühl wie in der vergangenen Nacht.
Am liebsten wäre er umgekehrt, aber in seinem Gehirn pochte es immer wieder: Sieh in der Hütte nach! Du musst hinter Barrows Geheimnis kommen!
Er dachte daran, seinen Schulkameraden zu imponieren, und der Gedanke spornte ihn an.
Er blieb noch einige Minuten regungslos im feuchten Gras liegen, eher er auf das Haus zuschlich. Endlich hatte er eines der Fenster erreicht.
Auf der Straße tauchte ein Radfahrer auf, dicht dahinter fuhr ein silbergrauer Sportwagen.
Willy duckte sich.
Er richtete sich wieder auf, um durch das Fenster zu spähen, aber es wurde ihm durch Jalousien die Sicht in das Innere des Zimmers genommen.
Der Junge zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen.
Hoffentlich ist der Alte nicht zu Hause, sonst setzt es eine Tracht Prügel.
Er legte sein Ohr an die morsche Holztüre.
Nichts!
Unendlich langsam drückte seine rechte Hand die Klinke nach unten.
Die Tür war versperrt, Willy biss die Zähne zusammen. Er hatte plötzlich rasenden Zorn. Wie von Sinnen hob er einen herumliegenden Stein auf, um ihn gegen eine Glasscheibe zu schleudern.
Klirrend zersprang sie.
Willy duckte sich.
Keine Sekunde zu früh! Sofort öffnete sich das Fenster des Nachbarhauses. Frank Coburn, sein Vater, blickte zu Barrows Haus herüber.
Als sich nichts regte, verschwand er wieder.
Der Junge griff durch die Scheibe, öffnete von innen her den Riegel. Gewandt schlüpfte er in das Zimmer. Dabei stieß er gegen Gerümpel, das polternd zu Boden krachte.
Willy hielt den Atem an. Sein Herz klopfte bis zum Hals, als er das Zimmer verließ und lauschend auf den schmalen Korridor trat.
Er marschierte auf das nächste Zimmer zu. Es war Barrows Schlafraum.
Niemand lag in dem schiefen Holzgestell, das einmal ein Bett gewesen sein musste.
Willy stieß pfeifend die Luft durch die Vorderzähne. Jetzt konnte er mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sich der Alte nicht mehr hier im Haus befand, oder lauerte er schon irgendwo auf ihn?
Dieser Gedanke trieb ihm den Schweiß aus allen Poren.
Irgendwo im Haus knarrte es. Willy fuhr herum.
Er duckte sich in den äußersten Winkel.
Der aufkommende Sturm riss das geöffnete Fenster auf, stieß es wieder zu. Immer wieder!
Das monotone Klopfen hörte sich wie gewichtige Schritte an. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Willy hinter die Ursache dieser ›Schritte‹ kam.
Endlich verließ er Barrows Schlafraum.
Er näherte sich dem Meditierzimmer des Gelehrten und somit dem Verderben!
***
Professor Zamorra stoppte den Scirocco mit quietschenden Reifen vor dem ›Royal‹. Obwohl es das beste Hotel dieser Stadt war, fand Zamorra den Namen doch ein bisschen hochgegriffen!
»Komm Bill, du kannst endlich aussteigen!«, grinste er nach hinten.
»Das Ende einer Traumreise, Zamorra! Ach wie war das schön!«, knurrte er zwischen den Zähnen und war sichtlich sauer auf den Professor.
Sie kletterten aus dem Wagen.
Nachdem sie sich in das Gästebuch eingetragen
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