0058 - Kalter Rauch und heißes Blei
hinaufbrummte. Ich nahm gleich die Richtung zur Hoover-Siedlung.
In dieser Gegend schienen sich alle Personen, die mit dem Fall zu tun hatten, zusammengefunden zu haben. Dabei war die Hoover-Siedlung gar nicht einmal eine so schlechte Wohngegend: Hübsche Einfamilienhäuser standen in verhältnismäßig großen Gärten, eine Seltenheit heute, wo selbst in den Vorstädten schon der Platz knapp wird! Allerdings hatte man die Häuser in zwei oder drei Straßenzügen dazu ausersehen gehabt, die Bewohner einer Gegend aufzunehmen, die vorher nicht im besten Ruf gestanden hatte.
Die Leute der Hoover-Siedlung würden es zu schätzen wissen, dass wir die Nester aushoben, ehe sie eine neue Brut von Gelegenheitsverbrechern beherbergen würden.
Bill Serras Wohnung war ganz in der Nähe vom Haus seiner Freundin Edna. Und als ich mir die Lage ein wenig genauer betrachtete, musste ich feststellen, dass Andy Tates Zimmer zumindest von hier aus zu sehen war. Es lag auf der anderen Seite einer Parallelstraße, und zwischen den Häusern hindurch erkannte ich ein Fenster, das mir das von Tates Zimmer zu sein schien.
Überraschende Perspektiven! Serra war ebenfalls Untermieter, wie ich ja schon wusste. Aber heute Morgen war der Mann nicht da, der mir gestern Abend geöffnet hatte, und seine Frau ließ mich herein. Offenbar wusste sie schon, was los war, und sie warf kaum einen Blick auf meinen Haussuchungsbefehl.
»Hat er jemanden umgebracht, der Serra?«, fragte sie neugierig.
»Aber nein!«, wehrte ich ab. »Wie kommen Sie darauf?«
Sie verzog den Mund. »Das Gesicht danach hat er jedenfalls gehabt.«
Ich dachte mir mein Teil. Man kann zwar aus einem Gesicht allerhand herauslesen: Verschlagenheit, mangelnde Intelligenz, und natürlich die Spuren .mancher geheimer Laster und Sünden - aber was landläufig und leichthin als Mördervisage bezeichnet wird, gibt es einfach nicht. Und doch wird manchmal so schnell das Urteil über einen Menschen gefällt. Bill Serra mochte ein Mörder sein oder zumindest zu einem Mord fähig. Am Gesicht konnte man es ihm jedoch keinesfalls ansehen.
Im Zimmer entdeckte ich nichts Bemerkenswertes, wenigstens auf den ersten Blick. Der persönliche Besitz eines gutgestellten Arbeiters unserer Tage. Dann noch ein paar Briefe, ungelenk geschriebene Verabredungen mit einem Mädchen namens Pearl, dazwischen eine Postkarte aus Las Vegas, ohne Bedeutung. An Papieren, mit einem Gummiband zusammengebunden, ein Geburtsschein Bill Serras, die Mitgliedskarte des-YMCA, längst abgelaufen und etliche Mietquittungen. Einige Bilder zeigten Bill Serra und seine Freundin Edna Fowler in Badeanzügen am Strand von Atlantic City, ich kannte die Gegend. Alles?
Eine Schublade erregte mein Interesse. Da lagen Schuhanzieher, alte Zündkerzen und allerhand Kram durcheinander. Ich fischte eine Flachzange heraus und ein Stückchen Federdraht. Die Zange sah neu aus.
Mehr fand ich nicht. Aber mein Verdacht war geweckt. Wozu braucht man Federdraht in einem gewöhnlichen Haushalt? Beruflich hatte Serra nichts damit zu tun, das wusste ich.
Die Frau unten im Haus erkannte die Zange nicht als die ihre.
»Wir haben kaum Werkzeug im Haus«, sagte sie. »Mein Mann ist nicht sehr geschickt in solchen Sachen, und deshalb lässt er alles machen, was an Reparaturen anfällt.«
»Von Mr. Serra?«
»Aber nein. Der würde nie etwas tun, was er nicht bezahlt bekommt, und um einen Abfluss aufzuschrauben oder einen Schalter anzuschließen, ist er viel zu fein.«
»Hm. Wo gibt es hier in der Nähe einen Laden für Werkzeuge?«
Sie musste lange überlegen.
»Gehen Sie doch mal drei Straßen weiter. Ich glaube, da ist ein Radiogeschäft, das auch Werkzeuge führt!«
Ich bedankte mich für die Auskunft, versiegelte Serras Zimmer und fuhr los. Das Geschäft fand ich augenblicklich -eine Neonreklame ragte weit über die Straße. Im Laden war ein Mann mittleren Alters damit beschäftigt, die Radioapparate abzustauben, die dutzendweise umherstanden.
»Sie wünschen?«, fragte er ohne großes Interesse. Zu dieser Zeit schien es ihm wohl unwahrscheinlich, dass ihm jemand einen seiner Apparate abkaufen würde.
Ich wies mich aus, und das erweckte wenigstens etwas mehr Aufmerksamkeit.
»Stammt diese Zange aus Ihrem Geschäft?«, fragte ich, während ich das kleine Ding auf die Theke legte. Er nahm sie auf, betrachtete sie genau und nahm sogar die Brille ab. Dann nickte er.
»Dass die hier gerade von mir stammt, kann ich nicht beschwören.
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