0059 - Hexenverbrennung
erstarrten und kletterten hastig wieder herunter. Unter der Volksmenge entstand unwilliges Gemurmel.
Noch glaubte Jane, die Menschen wären auf den Mönch wütend, doch gleich darauf wurde sie bitter enttäuscht. Harte Hände packten sie an den Armen, und im nächsten Moment wurde sie zur Leiter gezerrt.
Ehe sie richtig zur Besinnung kam, stand sie oben auf dem Scheiterhaufen, direkt neben Mara.
»Da sehen Sie, wohin Sie mit Ihrer Hilfsbereitschaft gekommen sind«, rief die ehemalige Hexe. »Jetzt teilen Sie mein Schicksal!«
Jane stöhnte auf, als die Männer die Stricke an ihren Armen fest zusammenzogen.
»Ich habe die Fackel nicht gefühlt, ich kann gar nicht verbrannt werden!« rief sie mit schriller Stimme. Panik drohte sie zu überwältigen. Die gespenstische Situation, in der sie sich befand, trieb sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. »Mir kann nichts passieren!«
»Sie täuschen sich«, sagte Mara dumpf. »Ich ahne es! Wir stammen beide aus einer anderen Zeit, aber wir werden hier auf diesem Scheiterhaufen sterben! Daran kann niemand etwas ändern!«
Die Worte fuhren Jane durch Mark und Bein. Ohne Zweifel kannte sich Mara in diesen Dingen besser aus als sie selbst.
»John holt uns hier heraus«, flüsterte sie und klammerte sich mit aller Macht an diese Hoffnung.
»John weiß gar nicht, wo wir sind!« Mara stieß ein hartes Lachen aus. »Unsere Feinde haben gesiegt!«
Entsetzt sah Jane, wie der Mönch die Fackel in den Scheiterhaufen stieß. Sofort fraßen sich die Flammen durch das trockene Holz, sprangen knisternd von Scheit zu Scheit und wurden durch einen plötzlich einsetzenden Sturm angefacht. Funken stiebten hoch und zerplatzten zischend und knackend vor Janes Augen.
Noch immer redete sie sich in höchster Todesangst ein, ihr könne nichts passieren.
Doch dann tauchte wieder ein Funke vor ihrem Gesicht auf. Er traf ihre Wange.
Im nächsten Moment schrie Jane gellend auf. Es war nicht so sehr der brennende Schmerz auf ihrer Haut. Es war die Erkenntnis, daß sie auf diesem Scheiterhaufen sterben mußte, wenn kein Wunder geschah.
Neben ihr schrie Mara Lacatte grauenhaft schrill. Die Flammen leckten bereits nach ihren Füßen.
Aus weit hervortretenden Augen starrte Jane in das Feuer, das sie wie ein tödlicher Ring umgab, in die wut- und haßverzerrten Gesichter der Umstehenden, in den Himmel, an dem die Flugvampire kreisten, auf den Mönch, der triumphierend neben dem brennenden Scheiterhaufen stand, die Fackel in der hoch erhobenen Faust.
Doch nun war mit dem Mönch eine scheußliche Verwandlung vor sich gegangen.
Unter der Kutte schimmerten die matten Gebeine eines Skeletts.
Das war zuviel für Jane Collins.
Mit einem fürchterlichen Schrei stemmte sie sich gegen ihre Fesseln und brüllte den Namen des Mannes aus sich hinaus, von dem sie sich mit einem letzten Funken Lebenswille Rettung erhoffte.
»John! John Sinclair!«
***
Suko und ich prallten gegen Maras Wohnungstür, bekamen sie jedoch beim ersten Ansturm nicht auf.
Wir taumelten zurück, nahmen erneut Anlauf und preschten wieder vor.
Gerade als wir Schulter an Schulter auf das Holz trafen, hörte ich von drinnen einen zweiten Schrei.
»John! John Sinclair!«
»Jane!« schrie ich auf.
Das war Janes Stimme gewesen! Ich hatte sie deutlich erkannt!
Es gab einen scharfen Knall. Die Tür flog aus den Angeln. Wir stürzten über sie hinweg in einen dunklen Vorraum.
Sofort raffte ich mich wieder auf und erreichte mit einem mächtigen Sprung eine zweite Tür. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich in der rechten unteren Ecke Licht schimmern.
Ein faustgroßes Loch im Holz! Der Todesbote war bereits in das Wohnzimmer eingedrungen!
Die Tür war nicht abgeschlossen. Ich stieß sie auf, torkelte in den Raum, fing mich ab und erstarrte.
Mitten im Zimmer standen Jane und Mara Lacatte Seite an Seite, die Arme nach hinten gestreckt, als wären sie an einen Pfahl, gebunden. Obwohl sie völlig frei waren, warfen sie sich hin und her, ohne umzufallen, und stemmten sich gegen unsichtbare Stricke.
Der Todesbote, diese graue, gestaltlose Dämonenmasse, umgab die beiden in einem breiten Ring. Er war ganz auf dem Boden zerflossen, so daß ich die Frauen nicht mit einem Sprung erreichen konnte.
»John!« Suko stöhnte neben mir entsetzt auf. »Tu etwas! Das verdammte Ding bringt die beiden sonst um!«
Das war mir auch klar, aber ich hatte schon erfahren, daß es keinen Sinn hatte, den Dämonenboten mit meinen Waffen auf herkömmliche
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