006 - Der Fluch der blutenden Augen
dem
diffusen Licht der Lagerhalle erkannte Larry einen Mann, der ein Schweißgerät
in den Händen hielt. Auf dem Kopf trug er einen Helm mit einer hochgerückten
Schutzbrille.
X-RAY-3 wurde in die angrenzende Halle gezerrt. Sie war fast nur mit Tonnen
ausgefüllt, die bis an die Decke gestapelt waren.
Eine Tonne stand geöffnet vor ihm im Weg.
»Steigen Sie hinein, Robertson«, forderte Rasmandah ihn auf.
Unter den zwingenden Läufen dreier Pistolen blieb Larry nichts anderes
übrig. Er fühlte, wie sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete.
Die Tonne war gerade so geräumig, dass außer ihm noch zwei
Sauerstoffflaschen Platz hatten, die man mit Lederriemen an die runde Wandung
der Tonne genietet hatte. Das Mundstück hing genau zwischen den beiden oberen
Enden der Metallflaschen.
Rasmandah grinste überlegen. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht den
Komfort bieten kann, den man normalerweise für eine Reise nach Indien erwartet.
Sie haben es nicht einmal ganz so gut wie die ersten Astronauten, die man in
einer Mercury-Kapsel in eine Umlaufbahn um die Erde schoss. Es ist für Sie noch
ein bisschen enger. Am Ventil der einen Flasche sehen Sie eine einfache Uhr.
Sie ist mit dem Ventil gekoppelt. Der Sauerstoff wird erst frei, wenn eine
bestimmte Zeitspanne verstrichen ist. Es wird der Sauerstoff, der sich in der
Tonne befindet, gerade noch ausreichen, bis Sie im Laderaum der Maschine
untergebracht sind. Dann werden Sie Ihren Kopf an das Mundstück pressen können,
um nicht zu ersticken, Robertson! Auf das Zischen der austretenden Luft wird
niemand mehr aufmerksam werden. Strahltriebwerke sind lauter als das bisschen
Sauerstoff, das Sie ein- und ausatmen. Beide Flaschen reichen für insgesamt
zehn Stunden, das ist mehr, als Sie für den Flug nach Indien benötigen. Viel
Vergnügen, Robertson!« Es waren die letzten Worte, die Larry Brent von
Rasmandah hörte, dann schlug der Deckel schwer über ihm zu. Mit angehaltenem
Atem lauschte Larry auf die Geräusche, die von außerhalb seines engen und
stockfinsteren Gefängnisses an sein Gehör drangen. Der Deckel wurde über ihm
festgeschraubt, dann folgte ein kapselartiges Stück, das regelrecht über die
obere Hälfte der dunkelroten Tonne gestülpt wurde.
Larry konnte sich nicht rühren. Er war völlig eingepfercht. Er fühlte, wie
ihm der kalte Schweiß ausbrach.
Dann wurde die Tonne gerollt, wenig später wieder aufgerichtet. Man stellte
sie in eine dafür vorbereitete Kiste, die sieben Minuten nach Schließen der
Tonne bereits auf die bereitstehende Barkasse verladen wurde.
X-RAY-3 wusste, dass die Situation noch nie so ausweglos gewesen war!
Allein konnte er nichts unternehmen. Er saß in der Falle.
Das Grauen kroch langsam seinen Nacken hoch. Die Enge und die Finsternis,
die Tatsachen, die ihm zu Bewusstsein kamen, waren wenig dazu angetan, ihn
ruhig zu stimmen. Wenn der Mechanismus der Sauerstoffanlage versagte, war alles
noch früher zu Ende. Dann würde eine Blutkonserve für die grausame Göttin Kali
eines ebenso grausamen und verbrecherischen Magiers in Indien eintreffen.
Larry spürte, wie die Kiste von der Barkasse geschleppt und offenbar in den
Lkw verladen wurde. Wenig später schon befand sich der Wagen auf dem Airport.
Larry fühlte, dass die Luft in der Tonne knapp wurde. Er atmete kürzer und
nicht mehr so tief durch, um Sauerstoff zu sparen. Die geringste Verzögerung
konnte alles über den Haufen werfen. Vielleicht sogar zu seinen Gunsten? Er
merkte, dass er wieder Hoffnung schöpfte. Vielleicht wurde der Zollbeamte
aufmerksam, vorausgesetzt, dass er nicht bestochen war. Er war es nicht , doch er merkte auch nicht das
Auswechselmanöver der beiden Kisten, das äußerst raffiniert vorgenommen wurde.
Zwölf große Kisten wurden im Licht der grellen Scheinwerfer im Laderaum der
Transportmaschine verstaut. Es waren die gemeldeten und verzollten Kisten.
Zwei Inder begleiteten den Transport, sie waren Rasmandahs Männer und
Anhänger der Sekte und überzeugt von der Richtigkeit und der Wichtigkeit ihrer
Mission.
Die Maschine startete mit einer Minute Verspätung.
Ein leiser Summton tönte durch die stille, erdrückende, enge Finsternis der
Tonne. Das Ventil war geöffnet. Larry presste Mund und Nase an das Mundstück
und atmete tief durch. Das Gefühl der Benommenheit und der Druck auf seinen
Schädel wichen.
Leise vibrierten die Wände, als sich die Maschine in die Luft erhob.
Larry Brent war auf dem Weg nach Indien, zu dem
Weitere Kostenlose Bücher