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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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ist. Ich könnte ohne weiteres fast alle ihre Erinnerungen auslöschen und durch andere ersetzen.
    Vorläufig begnüge ich mich jedoch damit, sie von ihren Komplexen zu befreien, und sofort gibt sie nach, ist sogar verliebt in mich.
    Natürlich hat das nicht viel zu bedeuten. Es sind künstlich hervorgerufene Gefühle, aber mit der Zeit werde ich sie in echte verwandeln. Sie wird zu einer Art Spiegel meines Ichs werden.
    »Jean … Jean …«
    Ich trage sie zu meinem Bett und wende das Gesicht ab, damit sie mein zynisches Lächeln nicht sieht.
     

     
    Danach scheint sie sich zu schämen, aber ich kümmere mich nicht darum. Ein Haustier. Ja, genau das wird sie für mich sein. Ihre Gewissensbisse rühren mich nicht im geringsten.
    Ich frage sie:»Was hat man mit meinen Kleidern gemacht?«
    »Du hattest keine, als man dich einlieferte.«
    »Sag nicht du zu mir, auch nicht wenn wir allein sind, damit wir uns nicht vor den anderen verraten.«
    »Sie haben recht.«
    Gekränkt dreht sie mir den Rücken zu.
    »Ich hatte keine Kleider?«
    »Sie sind verbrannt.«
    Ach so! Und mein Geld wahrscheinlich auch. Ich hatte alles bei mir, was ich besaß. Als ich den Einbruch in das Zentrum für wissenschaftliche Forschung verübte, wohnte ich im Hotel. Ob man dort wohl meine Sachen aufbewahrt hat?
    Nein, wahrscheinlich nicht. Ist auch egal. Ich fange also ganz von vorn an. Das beeindruckt mich nicht besonders. Ich werde bald alles haben, was ich brauche, vorausgesetzt ich kann Marlat einwickeln.
    Plötzlich werde ich ungeduldig. Das überrascht mich, denn von Natur aus bin ich nicht ungeduldig. Ich fühle mich stark und ausgeruht.
    »Mireille, ich möchte im Park Spazierengehen.«
    Sie antwortet gleichgültig: »Dazu müssen Sie die Erlaubnis des Doktors einholen.«
    »Er hat keinen Grund, sie mir zu verweigern.«
     

Man hat eine weiße Leinenhose, ein Hemd und Schuhe für mich aufgetrieben. Mireille hilft mir beim Anziehen, aber eigentlich brauche ich sie gar nicht.
    Ihr Blick ist traurig, aber sie macht trotzdem den Eindruck, als hätte sie sich mit dem abgefunden, was sich zwischen uns ereignet hat. Als ich fertig bin, gehen wir auf den Gang hinaus.
    Ich gehe allein und bin überglücklich. Ich verzichte darauf, den Aufzug zu nehmen. Ein wenig beunruhigend, dass ich mich auf einmal so kräftig fühle. Ja und nein. Aber das kommt wohl von meinen neuen Fähigkeiten. Ich lächle ironisch und vergleiche mich im Geist mit Tarzan und Superman.
    In der Halle treffen wir Marlat, der mich scharf ansieht.
    Er sagt zu mir: »Wenn ich nicht genau wüsste, dass das medizinisch unmöglich ist, wäre ich der gleichen Meinung wie Kommissar Dutoit.«
    »Welcher Meinung?«
    »Er glaubt, Sie simulieren.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie mir Ihren Gesundheitszustand nicht nur Vorspielen können.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt glaube ich, dass Sie keinen Grund haben, mir etwas vorzuschwindeln. Ganz egal, was geschieht, ich werde immer für Sie da sein, Morel. Wie fühlen Sie sich?«
    »Ausgezeichnet. Stärker als vor … dem Unfall, und ich war schon damals alles eher als ein Schwächling.«
    Er begleitet uns, und wir gehen in den Park.
    »Gestern konnten Sie noch keinen Schritt tun, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Und heute morgen?«
    »Da fiel es mir noch schwer. Aber plötzlich ging es. Gleich nachdem Sie das Zimmer verlassen hatten.«
    »Ein Phänomen, diese blitzschnelle Gesundung.«
    »Worauf führen Sie das zurück?«
    »Auf die Radioaktivität, die Sie in sich auf genommen haben.«
    »Und das erklärt alles?«
    »Alles, was an Ihnen anormal ist. Natürlich wissen wir noch nicht, wie weit das gehen wird.«
    »Manchmal habe ich den Eindruck, über unbegrenzte Fähigkeiten zu verfügen.«
    »Ich auch.«
    Mireille geht vor uns. Mit gesenktem Kopf. Ich frage mich, ob sie Marlat etwas verraten hat, als sie in sein Arbeitszimmer ging, um ihn zu fragen, ob ich im Park Spazierengehen dürfte. Ich halte sie so einer Dummheit für durchaus fähig.
    »Möchten Sie noch immer die Klinik verlassen?«
    »Ja. Versetzen Sie sich in meine Lage. Selbstverständlich wäre ich damit einverstanden, dass mich eine Krankenschwester begleitet.«
    »Mireille, zum Beispiel?«
    »Ich bin sehr zufrieden mit ihr.« Bestimmt hat sie ihm etwas erzählt. Marlat muss mich für Casanova persönlich halten.
    Ich lache, und er sagt: »Ich kann Sie nicht so ohne weiteres entlassen, Morel. Wegen der Polizei. Ich habe mit dem Untersuchungsrichter telefoniert und ihm Ihre Version der

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