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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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offen zu lassen, und folge ihr. Mireille sitzt in einem Sessel mit einer Illustrierten auf den Knien, aber sie liest nicht. Den Kopf nach hinten gelehnt, blickt sie starr auf einen Punkt an der Zimmerdecke.
    Die Empfangsschwester tritt ein und fragt sie:»Sie fühlst du dich?«
    Mireille hebt den Kopf und antwortet leise:»Ich kann es noch gar nicht fassen.«
    »Möchtest du irgendetwas?«
    »Nein, danke.«
    Ich warte, bis die Empfangsschwester den Raum verlassen hat, dann dringe ich in Mireilles Gedanken ein. Sie hat Angst. Maßlose Angst. Ich hätte nicht diese Anspielung machen sollen, dass sie vielleicht eines Tages frei sein würde.
    Sobald sie nicht mehr unter meiner geistigen Kontrolle ist, empfindet sie mir gegenüber eine Art Ekelgefühl. Wie vor einer Schlange. Ja, im Unterbewusstsein vergleicht sie mich mit einer Schlange.
    Sie hat Marlat alles gebeichtet, und der Arzt hat ihr gesagt, dass ich sie wahrscheinlich hypnotisiere. Also hat Marlat sie nach unserer Unterredung aufgesucht. Ich verlange von ihr, dass sie an das denkt, was er ihr gesagt hat.
    Marlat hat panische Angst vor den Fähigkeiten, die er an mir entdeckt hat. Heute Abend wird man meinem Essen ein Betäubungsmittel beimischen und mich in den Keller bringen, um mich dort anzuketten. Man wird dafür sorgen, dass ich ständig halb bewusstlos bin. Marlat ist überzeugt, dass er mich in diesem Zustand Experimenten unterwerfen kann, aus denen er Nutzen ziehen wird. Denn meine Fähigkeiten werden sich weiterhin offenbaren, allerdings dann unter seiner Kontrolle.
    In seinem Arbeitszimmer hat er nicht gewagt, etwas gegen mich zu unternehmen, denn solange ich bei Bewusstsein bin, fürchtet er sich vor mir. Zorn steigt in mir auf. Ein kalter, berechnender Zorn.
    Ich fange an, sie alle zu hassen. Mireille genauso wie Marlat, denn beide haben mich durchschaut. Und vielleicht hasse ich sie noch mehr als ihn, denn ich hatte mir Hoffnungen auf ein gemeinsames Leben mit ihr gemacht.
    Sie kann meinen Gedankenwellen nicht widerstehen wie Marlat. Ich zwinge sie, aufzustehen und zur Tür zu gehen. Ich beherrsche sie voll und ganz. Sie merkt nicht einmal, dass sie mir die Tür aufhält, damit ich hinausgehen kann.
    Statt durch die Halle zu gehen, nimmt sie den Personalaufgang. Wir steigen hintereinander die Treppe hinauf und gelangen auf die Terrasse. Sie geht mit kurzen, abgehackten Schritten, fast wie ein Automat.
    Einige Patienten sitzen in Schaukelstühlen und sonnen sich. Eine Krankenschwester blickt auf und lächelt Mireille zu, als sie die Terrasse betritt. Aber schon rennt Mireille auf die steinerne Brüstung zu und schwingt sich hinauf.
    Die Krankenschwester läuft ihr nach, aber es ist zu spät. Mireille hat sich hinuntergestürzt. Die Patienten und die Krankenschwester schreien auf. Ich lache lautlos, als ich den dumpfen Aufprall von Mireilles Körper auf den Steinplatten unter der Terrasse höre.
    Ich kehre in mein Zimmer zurück, aber es ist leer. Die Tür zum Gang ist offen, und mein Körper liegt nicht mehr auf dem Bett. Auch der Krankenpfleger ist verschwunden. Einen Augenblick lang stehe ich ratlos da, dann renne ich los. Ich folge meinem Instinkt.
    Der Keller. Die Gummizelle im Keller. Marlat hat meine Bewusstlosigkeit ausgenutzt. Ich laufe rasch hinunter. In der Halle herrscht große Aufregung. Man bringt Mireille auf einer Bahre herein.
    Ohne Mühe finde ich den Eingang zu Keller. Ich brauche nur die Gedanken der Empfangsschwester zu befragen. Kein richtiger Keller, sondern eher ein Untergeschoß.
    Hinter einem Operationssaal liegt eine Art Labor, dann kommt man in einen kleinen Raum, an den sich die Gummizelle anschließt. Man hat mich in eine Zwangsjacke gesteckt, und über den Kopf hat man mir eine schwarze Kapuze ohne Augenschlitze gestülpt.
    Marlat hofft, dass ich mich auf diese Weise beim Erwachen nicht orientieren kann. Man hat mir eine Spritze gegeben. Marlat ist in der Zelle, und ich kann ohne Mühe seine Gedanken lesen, da er ganz entspannt ist.
    Seiner Meinung nach sind meine außergewöhnlichen Fähigkeiten nur psychischer Natur und von meinem körperlichen Zustand abhängig. Daher glaubt er, dass mich die Zwangsjacke außer Gefecht setzt.
    Ich weiß, dass er recht hat. Im körperlosen Zustand trage ich die gleiche Kleidung wie mein Körper. Wenn ich jetzt meinen Körper verlassen würde, wäre ich wahrscheinlich durch die Zwangsjacke behindert und könnte wegen der Kapuze nichts sehen. Ich wäre also machtlos.
    Ich lache lautlos

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