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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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Telefon steht. Die Tischplatte ist eingewachst und glänzt. Vor dem Schreibtisch drei Sessel und etwas weiter ein Ruhebett.
    Neben seinem Drehstuhl ein Apparat, den er einschaltet, bevor er sich setzt. Ein Tonbandgerät. Er wird unsere Unterhaltung auf Band festhalten. »Setzen Sie sich, Morel.«
    Ich wähle den mittleren Sessel und ziehe ein Päckchen »Gauloises« aus der Tasche. Hinter der glänzenden Tischplatte, die mich an die spiegelglatte Oberfläche eines Teichs erinnert, ist Marlat weit von mir entfernt und wirkt ganz klein in seinem riesigen Sessel.
    »Ich sehe in Ihnen einzig und allein ein Versuchsobjekt, Morel. Ich sage es Ihnen ganz offen, damit Sie wissen, woran Sie sind. Ich interessiere mich nur vom Medizinischen her für Ihren Fall. Deshalb können Sie mir volles Vertrauen schenken.«
    »Aber das tue ich ja.«
    »Vielleicht nicht genug. Übrigens reagieren Sie gar nicht so wie Kranke im Allgemeinen. Weder physisch, noch geistig. Ihr Organismus und vor allem sein Reaktionen geben mir Rätsel auf. Gestern waren Sie noch außerstande, auch nur ein paar Schritte zu tun, und heute deutet nichts mehr darauf hin, dass Sie so lange im Bett gelegen haben. Ich glaubte, dass es viel länger dauern würde, bis Sie sich wieder erholt hätten.«
    »Ich beklage mich nicht, dass es so schnell gegangen ist.«
    »Diese plötzliche Gesundung birgt jedoch Gefahren in sich.«
    »Für wen?«
    »In erster Linie für Sie.«
    Ich zünde mir eine Zigarette an. Es ist logisch, dass er mich einzuschüchtern versucht. Ich nehme einen tiefen Zug und atme lächelnd den Rauch aus.
    »Ich fühle mich ganz ausgezeichnet.«
    »Das ist es ja. Das wäre ganz in Ordnung, wenn Sie nicht so viel zu verbergen hätten.«
    »Ich?«
    »Sicher verfügen Sie über besondere Fähigkeiten, deren Sie sich auch bedienen.«
    Er sieht mich durchdringend an. »Fähigkeiten welcher Art?«
    »Das weiß ich nicht. Für den Augenblick begnüge ich mich damit, zwischen bestimmten Vorfällen eine Beziehung herzustellen.«
    »Wie kommen Sie darauf? Besondere Fähigkeiten.“ mit denen ich was tun könnte?«
    »Zwei Menschen ermorden.«
    Er klagt mich offen an. Sein Blick ist hart. Der meine auch. Wir fordern uns gegenseitig heraus. Dann sage ich: »Wirklich? Und wen?«
    »Als erstes eine gewisse Marie Sauvage. Letzte Nacht.«
    »In der Metro? Dazu hätte ich die Klinik verlassen müssen.«
    »Woher wissen Sie, dass sie in der Metro ermordet wurde? Ich habe dafür gesorgt, dass Sie keine Zeitung in die Hand bekamen.«
    Er hat mich erwischt. Und der verflixte Apparat zeichnet unsere ganze Unterhaltung auf. Ich gehe sofort zum Gegenangriff über.
    »Ich habe aber doch eine Zeitung gefunden. Im Park, während ich auf Mireille wartete. Ihr Gärtner hat sie mir gegeben.«
    Ich habe ihm den Ball zurückgeworfen, aber bestimmt hat er mein kurzes Zögern bemerkt. Sein Lächeln bestätigt mir, dass er sich nicht hat täuschen lassen. Ich werde wütend. Ich stehe auf, und mache ein paar Schritte, um mich abzureagieren.
    Regungslos sitzt er hinter seinem Schreibtisch. Als ich mich ein wenig beruhigt habe, setze ich mich auf die Lehne meines Sessels.
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Marlat?«
    »Mich interessiert nur die wissenschaftliche Seite Ihres Falls.«
    »Das heißt?«
    »Dass ich Sie nicht der Polizei ausliefern werde.«
    »Das dürfte auf alle Fälle schwierig sein.«
    »Aber es gibt andere Mittel.«
    »Einweisung in eine Nervenheilanstalt?«
    »Warum nicht?«
    »Als Geistesgestörter?«
    Er fühlt sich sicher, weil er weiß, dass ich seine Gedanken nicht beeinflussen kann. Er fährt fort: »Auf jeden Fall ist es für Sie besser, mir zu vertrauen.«
    Ja und nein. Es kommt mir nur darauf an, Zeit zu gewinnen. Genügend Zeit, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, ihn aus dem Weg zu schaffen. Viel zu gefährlich, dieser Kerl.
    Ich sehe mich nach einem Aschenbecher um. Da ich jedoch keinen finde, lasse ich die Asche auf den Teppich fallen. Ich bin gern bereit, ihm eine Kostprobe zu geben, aber er darf nicht wissen, dass ich meinen Körper verlassen kann.
    Ich konzentriere mich auf das Telefon. Wird es mir gelingen, es aus der Entfernung zu verrücken? Ich setze meine ganze Willenskraft ein. Plötzlich hebt sich der Apparat und schwebt an die Decke. Ich habe mich zu sehr angestrengt.
    Marlat beginnt schallend zu lachen, und der Apparat fällt mit einem dumpfen Geräusch auf den Schreibtisch zurück.
    »Genau das habe ich erwartet, Morel. Sie haben meine

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